Vor 50 Jahren: Deutsches Schachjugendlager in München
(ein Beitrag von Reiner Klüting, 4. 8. 2022)
In einem Monat richtet der SV Hemer 1932 aus Anlass des 90jährigen Vereinsjubiläums das traditionelle 10-Städte-Turnier am 3./4. September 2022 aus. In lockerer zeitlicher Reihenfolge werden wir auf einzelne Turniere dieser internationalen Begegnungen zurückblicken.
Der erste Rückblick beschäftigt sich jedoch mit einem anderen Ereignis, das 2 Jahre vor dem ersten 8-Städte-Turnier (1974) stattfand.
Während der Olympischen Sommerspiele in der zweiten Augusthälfte 1972 in München wurde ein großes internationales Schachjugendlager organisiert, an dem vom SV Hemer die damaligen Jugendlichen Hans-Peter Klüting und Wilfried Sirringhaus teilnahmen. Leider waren die Sommerferien in NRW bereits Anfang August beendet; als Unterprimaner des Friedrich-Leopold-Woeste-Gymnasiums wurde ich von meinen Lehrern für dieses herausragende Ereignis im Olympiapark nicht freigestellt. Damals hinterließ dies in mir ein überaus bitteres Geschmäckle; umso mehr genoss ich die spätere Studentenzeit…
Mehr als 12000 Jugendliche aus allen Ländern der Welt strömten nach München; ein Großteil von ihnen war in Zeltlagern, Schulen und Turnhallen untergebracht, ein kleinerer Teil (ca. 1500) in eigens errichteten Fertigbau-Bungalows. Vom Deutschen Schachbund wurden 400 Teilnehmer gemeldet, davon 250 vom 24. 8. – 12. 9. 1972. Bereits eine Woche vor Beginn der Olympischen Spiele ab dem 19. 8 nahm ein Teil der Schachspieler an der Jugendmannschaftmeisterschaft der Bundesländer teil, darunter auch die Trainer und Betreuer Ralph Mallée und Claus-Peter Levermann vom SV Menden 24.
Für den Schachbezirk Iserlohn organisierte der damalige Jugendspielleiter Hans-Dieter Keune die Sonderzugfahrt. Ein Waggon war für den Verband Südwestfalen reserviert. An den Haltepunkten Iserlohn, Hemer, Menden und Fröndenberg stiegen neben unseren 2 Spielern die Brüder Wolfgang und Hans Georg Wittig aus Fröndenberg, aus Menden Christoph Beierle und Karlheinz Ohrmann und aus Iserlohn Gerd Meinecke und Roderich Hunke zu.
Das Programm des Schachjugendlagers umfasste unter anderem eine internationale Jugendleitertagung, ein internationales Jugendmannschaftsturnier und ein nationales offenes Jugendeinzelturnier. Zusätzlich zu den Essensmarken erhielt jeder Jugendliche pro Woche einen 8er-Block von Eintrittsfreikarten für die Olympischen Spiele. Mein Bruder Hans und Wilfried kamen somit in den Genuss ganz besonderer olympischer Höchstleistungen. Sie konnten die Schwimm-Weltrekorde von Mark Spitz (USA) – der 7 Goldmedaillen gewann – ebenso bewundern wie die turnerisch einmaligen Leistungen von Olga Korbut (Belarus) oder den Olympiasieg von Hochspringerin Ulrike Meyfarth, die die jüngste Leichtathletik-Olympiasiegerin in einem Einzelwettbewerb in der Geschichte der Olympischen Spiele ist. Bis 2016 war sie gleichzeitig auch die älteste Hochsprung-Olympiasiegerin (1984 zweite Goldmedaille); in Rio wurde dieser Rekord 2016 von Ruth Beitia (37 Jahre bei ihrem Olympiasieg) übertroffen.
Wilfried und Hans waren in einer Turnhalle untergebracht; prominente ‚Luftmatratzen‘-Nachbarn waren die beiden Schweden Ornstein (der später einen Großmeistertitel zugesprochen bekam) und Hansen, mit denen sie häufig nächtliche Streifzüge unternahmen. Hierbei fand auch die eine oder andere aufregende Blitzpartie statt. Wilfried nahm seine Luftmatratze als Souvenir wegen der schönen aufgedruckten olympischen Ringe mit nach Hemer zurück. Einige Jahre später wurde sie ihm bei einem Spanienurlaub gestohlen.
Hans und Wilfried nahmen am nationalen Einzelturnier teil und vereinbarten mit ihren Gegnern manch schnelles Remis, um die wesentlich interessanteren Glanzleistungen der olympischen Athleten nicht zu verpassen. Die Schweden Ornstein und Hansen hingegen waren bei dem internationalen 4er-Mannschaftsturnier zeitlich etwas mehr gefordert.
Eine Woche vor Beginn der Olympischen Spiele (19. 8. – 24. 8. 1972) begann die Jugendmannschaftsmeisterschaft der Bundesländer. NRW I, trainiert von Ralph Mallée, spielte in folgender Aufstellung:
1. Vladimir Budde
2. Karl-Heinz Podzielny
3. Dieter Buchenthal
4. Hans-Peter Urankar
5. Burkhard Hemmert
6. Hans-Werner Ackermann (Ersatz: Simon)
Zum „Meßgewand“ vom 1. Brett, Vladimir Budde, ist in der 2. Ausgabe des Turnierbulletins „Das Schachbräuhaus“ eine nette Anekdote nachlesbar (siehe Datei 1: ‚Das weiße Gewand‘)
Die zweite Mannschaft von NRW, betreut von Karl-Heinz Spitzer rekrutierte sich zur damaligen Zeit traditionell aus Jugendspielern des Vereins, der die meisten Spieler für NRW I stellte. (s. hierzu auch das Foto rechts oben in Datei 3, entnommen aus der Jubiläumsfestschrift des SV Wattenscheid 1930 aus dem Jahr 2005, das die erfolgreiche Wattenscheider Jugendmannschaft von 1969 zeigt). Da Wattenscheid mit Hans-Peter Urankar und dem NRW-Jugendmeister von 1971 (Jugendmeisterschaft fand in Menden statt, s. Datei 4), Dieter Buchenthal gleich 2 Spieler stellte, die beide zum wiederholten Mal für NRW I spielten, durfte der SV Wattenscheid bereits zum zweiten Mal eine nur aus Wattenscheidern bestehende Mannschaft für NRW II stellen, mit folgender Aufstellung:
1. Ulrich Lange 2. Reinhold Wiktor 3. Rüdiger Wentzell 4. Wolfgang Schmidt 5.Reinhold Burbach 6. Ulrich Wolf. (Ersatz: Waldeit)
Nach 3 Runden führten Bayern I und Bayern II souverän die Tabelle an (s. den amüsanten Zwischenbericht im Turnierbulletin, Datei 2). In der 2. Runde hatte Bayern I gegen NRW I mit 3,5-2,5 obsiegt; die Schlüsselpartie des Kampfes verlor an Brett 2 Potz-Blitz gegen Gerd Treppner, vielleicht aus dem Grunde, dass ihm irgendein Bajuware in der Nacht vor dieser Partie die Luft aus seiner Schlafmatratze gelassen hatte. Im Unterschied zum heutigen Bundesliga-Fußballgeschehen gelang es aber NRW I, die Bayern von der Spitze wieder zu verdrängen; unter 16 Mannschaften wurde NRW I mit 10-2 Punkten aufgrund der besseren Brettpunktwertung Deutscher Meister vor Bayern I. Im Essraum des Salvator-Keller fand die stimmungsvolle Siegerehrung statt, die ein unbekannter Spender mit Freibier für alle bereicherte.
Mein Bruder Hans und Wilfried hörten sich auch einen sehr langen, analysereichen Vortrag von Lothar Schmidt an, der direkt nach dem legendären Weltmeisterschaftskampf in Reykjavik zwischen Boris Spassky und Robert Fischer nach München gereist war. Hierbei wurde auch die legendäre Partie mit Fischers eingeschlossenem Läufer ausgiebig analysiert.
In der 5. Ausgabe des Turnierbulletins wird der 17. Partie und den ‚Eskapaden‘ von Bobby Fischer ein Kommentar gewidmet. (siehe „Schwieriger Fischzug“ in Datei 1 und ein Foto von Bobby Fischer in Datei 5)
Mehrere Simultanveranstaltungen wurden angeboten, unter anderem auch von GM Wolfgang Unzicker.
Neben all diesen schönen Erlebnissen und freundschaftlichen internationalen Begegnungen erschütterte am 5. / 6. 9. 1972 der palästinensische Terroranschlag auf die israelische Olympiadelegation die gesamte Welt und trübte nachhaltig die Atmosphäre im Jugendlager. Die damalige Reaktion des IOK-Präsidenten Avery Brundage „The games must go on“ hat auch nach 50 Jahren leider größte Aktualität: Angesichts des Krieges in der Ukraine, des Vereinssterbens während der Coronapandemie und der immer größer werdenden Klimakrise sind auch wir Schachspieler auf Ablenkungen in dieser schwierigen Zeit angewiesen. Das Schachspielen muss irgendwie weitergehen…
In der Nachbetrachtung kann zu Recht gesagt werden, dass die Teilnahme von Hans und Wilfried am internationalen olympischen Schachjugendlager ein Höhepunkt in der Vereinsgeschichte des SV Hemer gewesen ist, da in München zahlreiche freundschaftliche Kontakte intensiviert oder neu geknüpft wurden, die teilweise noch in der Gegenwart gepflegt werden. So gab es in München ein Wiedersehen mit einigen Wattenscheider und Bochumer Schachfreunden, die 2 Monate vorher am ersten internationalen Turnier des SV Hemer, dem Felsenmeerpokal, teilgenommen hatten. Ein Jahr später fragte Karl-Heinz Podzielny bei meinem Bruder nach einer Unterkunftsmöglichkeit in Hemer. Mitte der Siebziger Jahre (bei der jährlich stattfindenden Auflage des internationalen Felsenmeerpokals) übernachteten die Wattenscheider Ulrich Wolf, Hans-Peter Urankar und Ralph Sandkamp bei uns am Stübecken, damals für die Schachfreunde Bochum-Hordel spielend. Dieter Buchenthal, den Hans und ich schon 1971 bei der NRW-Jugendmeisterschaft in Menden auf der Kluse kennengelernt hatten, wurde später mein langjähriger Mannschaftskamerad in Wattenscheid. Auch er war mehrere Male Teilnehmer am Felsenmeerpokal. Nicht zuletzt dem Bekanntheitsgrad dieser Spieler ist es zu verdanken, dass die Attraktivität des alljährlichen internationalen Turniers in Hemer in den 70er Jahren stetig wuchs und große Teilnehmerzahlen erreicht wurden.
Zum Schluss bedanke ich mich für wertvolle Detailinformationen beim damaligen Teilnehmer am Schachjugendlager, Hans-Josef Arts vom Uedemer SC e.V.; sein Verein begeht im nächsten Jahr das 75jährige Jubiläum. Auch Ulrich Wolf vom SV Wattenscheid 1930 e.V. bin ich zu großem Dank verpflichtet: Er hinterließ mir die Ausgaben des Schachbulletins „Das Schachbräuhaus“. Übrigens: Beide spielstarken Jugendmannschaften von Uedem und Wattenscheid begegneten sich bereits 1969 und 1970 auf NRW-Ebene. In München selbst beim Einzelturnier traf Hans-Josef auf Christoph Beierle von Menden 24.
Last but not least bedanke ich mich bei meinem Bruder Hans und Wilfried für die vielen Informationen und Anekdötchen, die natürlich nicht alle in diesen Beitrag eingehen konnten.
Wilfried Sirringhaus wird 70
(ein Beitrag von Reiner Klüting, 15. 3. 2022)
Heute wird unser ehemaliges Vereinsmitglied Wilfried Sirringhaus 70 Jahre jung. Der Schachverein Hemer richtet herzliche Glückwünsche aus!
Wilfried Sirringhaus stammt aus Deilinghofen, einem Ortsteil von Hemer, in dem mehrere Vereinsmitglieder beheimatet sind. Zusammen mit Klaus Schreiber trat Wilfried 1964 in den Schachverein ein. Mitte der 60er Jahre betreute Dieter Barsch eine Schüler/Jugendgruppe, aus der zeitweilig 2 Jugendmannschaften rekrutiert wurden; Wilfried und Klaus belegten mehrere Jahre lang die Spitzenbretter der 1. Jugendmannschaft. Eine kleine Anekdote, die mir Klaus erzählte: 1968 bei der Verbandsmannschaftsmeisterschaft gewann die Jugendmannschaft als Sachpreis eine Bratpfanne, die diese der damaligen Vereinswirtin der Gaststätte Lindenhof, Frau Drees, stiftete.
Als kreativ und taktisch hervorragender Spieler ging und geht Wilfried keinem Scharmützel aus dem Wege; als Mathematiker beherrscht er aber auch das positionelle Spiel und die Feinheiten des Endspiels, die er in vielen Mannschaftskämpfen in Siege ummünzen konnte. Hier belegte er jahrzehntelang sehr erfolgreich das 1. Brett der ersten Seniorenmannschaft des SV Hemer, auch 1981/1982 in der vereinshistorisch bisher höchsten Klasse der NRW-Liga (damals die dritthöchste Klasse Deutschlands).
Schon als Jugendlicher – ähnlich wie heute Moritz Runte – trainierte Wilfried uns jüngere Anfänger und versuchte auch uns die Grundlagen des Endspiels näherzubringen. Damals wie heute (so ist meine Vermutung) interessierte sich der schachspielende Anfänger aber mehr für Eröffnungen und hier insbesondere für Eröffnungsfallen. (mein Lieblingsbuch: Emil Gelenczei, ‚200 Eröffungsfallen‘, Berlin 1969, Nachfolgeband ‚200 neue Eröffnungsfallen‘, Berlin 1973)
Neben zahlreichen Vereinstiteln (mehrere Jugendtitel und 22 Vereinstitel im Seniorenbereich) errang Wilfried 1979 den Verbandseinzelpokal und wurde 1982 Verbandseinzelmeister Südwestfalens. In diesem 50. Jubiläumsjahr des SV Hemer holte er bei der NRW-Einzelmeisterschaft in Hemer 4,5 Punkte aus 9 Partien. Hierbei ‚überrannte‘ er mit Schwarz (Französische Verteidigung) in 25 Zügen den späteren NRW-Meister Ralf Wiemer und remisierte in einer spannenden Kampfpartie (s. Partie) gegen IM Otto Borik.
Wilfried ist ein Blitzexperte allerersten Ranges; 1975, 1983 und 1984 wurde er Verbandsblitzeinzelmeister. In Eupen belegte er beim internationalen Samstagsblitz stets vordere Plätze und konnte dieses Turnier 1975 und 1979 gewinnen. In einer Vereinschronik des SK Rochade Eupen wird Wilfried Sirringhaus als der erfolgreichste Teilnehmer der Jahre 1972 – 1982 bezeichnet. Die beiden oberen Fotos der JPG-Datei wurden in Eupen geschossen und zeigen Wilfried im Mannschaftseinsatz.
Seine beste Ingozahl war 79; dies entspricht einer DWZ von 2208. Als Senior (Ü 60) zeigte er auch beim PSV Duisburg herausragende Mannschaftsleistungen: 2012 in der NSV-Verbandsliga 7 aus 7 (Turnierleistung 2627), 2016 NRW-Klasse (entspricht der heutigen NRW-Liga) 7 aus 9 (Turnierleistung 2273), 2018 NSV-Verbandsliga 8,5 aus 9 (Turnierleistung 2375). Wilfried hatte auch einen Einsatz in der Bundesliga; nach hartem Kampf unterlag er hier GM Jörg Hickl. Beim Simultanspiel von Exweltmeister Boris Spasski 1982 aus Anlass des 50jährigen Jubiläums des SV Hemer errang Wilfried ein Remis. 2012 beim Simultankampf auf Schloß Moyland siegte er mit einer sehenswerten fünfzügigen Mattkombination gegen GM Jan Timman. 2 Jahre später bezwang Wilfried in einem Simultanturnier in Uedem GM Dr. Robert Hübner; in der hochtaktischen Traxler-Variante benötigte er nur 15 Züge!
Aktuell hat Wilfried eine DWZ von 2083 und eine Elozahl von 2182; damit wäre er elomäßig unter den Top 6 der Vereinsliste des SV Hemer und DWZ-mäßig unter den Top 10.
Die Vielzahl an Erfolgen rechtfertigt es, Wilfried Sirringhaus als einen der besten Spieler der Vereinsgeschichte zu bezeichnen. Noch bedeutsamer ist aber, dass er eine Seele unseres Vereines gewesen ist. Wilfried war Jugendtrainer und jahrelang Turnierleiter, was damals keine leichte Aufgabe war. Auch als Wilfried berufsmäßig in Karlsruhe und in Erlangen wohnte, nahm er noch an jedem Mannschaftskampf für Hemer teil – eine ganz außergewöhnliche Vereinstreue! Zudem war Wilfried der Motor für nichtschachliche Aktivitäten unseres Vereins, sei es eine Skatrunde nach dem schachlichen Teil des Vereinsabends, das gemeinsame Mannschaftsessen nach einem Wettkampf oder ganze Wochenendausflüge mit ‚Schacheinlage‘. Ich kann mich nicht erinnern, dass Wilfried einmal ein internationales Schachturnier mit Hemeraner Beteiligung ausgelassen hat.
In der Studentenzeit spielte die Hälfte unserer 13köpfigen Studentenetage des „Papageienhauses“ Schach, darunter 4 Vereinsspieler: Herbert Cloosters, sein Bruder Wolfgang, Wilfried und ich. Hinzu kamen als regelmäßige Gäste Andreas Reinhardt und Klaus Schreiber, gelegentlich Norbert Romanski, Volker Rätsch und hin und wieder Otto Borik. Mindestens ein Schachset mit Blitzuhr war ständiges Requisit der gemeinschaftlichen Etagenküche. Noch lange bevor der Begriff ‚Bullet‘ geprägt wurde, spielten Wilfried und ich nächtelang „Ein-Minuten-Blitz“ in Tennissätzen (ohne ‚Tie-Breaker‘); ein 0-6 entsprach dabei einem peinlichen „Lizenzentzug“. Das linke untere Foto der JPG-Datei zeigt Wilfried auf der Couch der Etagenküche mit dem legendären Maskottchen einer großen Stoffschlange, die bei der Allerheiligenkirmes in Soest gewonnen wurde. Auf dem rechten unteren Foto ist Wilfried auf einer Etagenfete zu sehen, die als eine Art Polterabend die Hochzeitsfeierlichkeiten von Andreas Reinhardt einleitete.
Anfang der 90er Jahre zog Wilfried aus beruflichen und familiären Gründen nach Duisburg und schloss sich dem PSV Duisburg an. 2 Jahre später folgte ich ihm nach und spielte 9 Jahre mit ihm in einer Mannschaft. 2014 kam es beim 10-Städte-Turnier in Hemer zu einem Wiedersehen vieler ehemaliger Vereinsmitglieder in einer ‚Revival‘-Mannschaft, ebenso 2016 in Eupen. 2019 besuchte Wilfried mit Herbert Cloosters das Turnier in Herne.
Der Schachverein Hemer wünscht Wilfried einen schönen Geburtstag und viele weitere eindrucksvolle Schacherlebnisse. Vielleicht gibt es ja ein Wiedersehen bei unserem 10-Städte-Turnier Anfang September in Hemer.
50 Jahre Städtefreundschaft mit Eupen
Teil 4
(ein Bericht von Reiner Klüting und Herbert Cloosters mit hilfreicher Unterstützung von Dieter Plumanns, Günter Delhaes, Werner Paulus und Marc Störing, 20. 7. 2021)
Der 4. und letzte Teil unserer Berichtsserie beginnt mit einigen im nachfolgenden Text zu vertiefenden Fotoimpressionen und einem Nachtrag zur Historie Ostbelgiens. Das Schwarzweiß-Foto, 1981 entstanden, stammt von Günter Delhaes und zeigt einen Teil der Hemeraner Delegation in Eupen. Links im Hintergrund ist die Josefskirche zu erkennen. Auf dem Foto zu sehen sind von links stehend: Hans Walter, Bernd Kistner, Hugo Walendzik, Andreas Reinhardt, sitzend von links: Helga Walter, Dieter Schreiber, Jens Rohrsen. Das Mannschaftsfoto von 2016 zeigt das Hemeraner Team im sehr schönen und gemütlichen Vereinsheim des KSK Rochade Eupen-Kelmis: von links Andreas Reinhardt, Marcus Schmücker, Marc Störing, Wilfried Sirringhaus, Herbert Cloosters, Tim Riehl, Martin Grürmann, Reiner Klüting, Helga Walter, Hermann Carnein, Hans Peter Klüting und Detlev Zuleger.
Die historische Ergänzung betrifft die Gemeinde Kelmis, mit deren Schachverein SK Kelmis Rochade Eupen 1989 fusionierte (vgl. hierzu auch den 1. Berichtsteil). Dieter Plumanns gab uns folgenden wertvollen Hinweis: Das Zentrum von Kelmis hieß früher ‚Neutral-Moresnet‘, ein von 1816 – 1919 neutrales, lediglich 3,4 km² großes Territorium, das als „Kondominion“ gemeinsam von den Niederlanden, Belgien (ab 1830) und Preußen bzw. Deutschland (ab 1871) verwaltet wurde. Die sehr interessante und bewegende Geschichte von Neutral-Moresnet als „geografisches Kuriosum“ (so die Bezeichnung von Alfried Schmitz in einem sehr lesenswerten Artikel vom 5. 7. 2015 https://www.deutschlandfunk.de/neutral-moresnet-geografisches-kuriosum-am-dreilaendereck.1242.de.html?dram:article_id=324550 ,letzter Aufruf 25. 6. 2021, vgl. auch Wikipedia-Artikel zu Neutral-Moresnet, Vaalserberg und Kelmis) kann man im Museum Vieille Montagne studieren, welches im ehemaligen Direktionsgebäude der Zinkgrube errichtet wurde.
Ergänzend zur Geschichte von Neutral-Moresnet, Kelmis und Eupen (siehe 1. Berichtsteil) haben wir eine Datei beigefügt, die unter anderem auch einen Kurzartikel zu Eupen aus der Festschrift des SK Rochade 1958 Eupen zum Internationalen Schachwochenende am 14./15. April 1973 aufgenommen hat. (6) 2 interessante Links (PDF-Dateien) zu Eupen sind folgende:
https://www.ostbelgienkulturerbe.be/PortalData/31/Resources/dokumente/news/Broschuere_Industriegeschichte_der_Unterstadt.pdf , letzter Aufruf 25. 6. 2021
Wir kommen nun zu einer Übersicht der historischen Entwicklung des Turniersamstags beim Internationalen Wanderpokal der Ostkantone in Eupen, die uns dankenswerterweise Dieter Plumanns zur Verfügung gestellt hat. Von 1961 bis 1964 beschränkte sich die Veranstaltung auf den Sonntag. Mit der 5. Veranstaltung 1965 wurde das Turnier auf den Samstag und Sonntag ausgedehnt. (7) Im Einführungsjahr fand am Samstag ein Einzelblitzturnier nach KO-System statt; von 1966 bis 1972 wurden Schnellschachmannschaftskämpfe durchgeführt. Ab 1973 veranstaltete Rochade Eupen ein 5-Minuten Einzelblitzturnier mit Vor- und Endrunden.
Neben Dieter Plumanns war Wilfried Sirringhaus häufiger Teilnehmer in diesen Endrunden, meist auf ganz vorderen Plätzen. Wilfried, der neben zahlreichen Vereinstiteln sowohl den Verbandseinzelpokal 1979 als auch im 50. Jubiläumsjahr des SV Hemer den Verbandseinzelmeistertitel Südwestfalens 1982 holte, ist ein Blitzexperte allerersten Ranges (Verbandsblitzmeister 1975, 1983 und 1984).
In einer 1982er Ausgabe der Vereinszeitung des KSK Rochade Eupen wurde er als erfolgreichster Teilnehmer der letzten 10 Jahre (1972 – 1982) bezeichnet. Viele Jahre spielte er sehr erfolgreich für den SV Hemer am ersten Brett der ersten Mannschaft.
2 Jahre nach Wilfrieds Erfolg konnte ich 1981 in einem 95köpfigen Teilnehmerfeld den Einzelblitztitel holen. Nach schwierigem Beginn in der Vorrunde qualifizierte ich mich nur dank der Feinwertung für die Endrunde. Auch dort lief es zunächst ungünstig; ich startete mit einem Punkt aus 3 Partien. Danach konnte ich mich auf das intensive ‚Gerstensaftnachschub‘-Coaching von Andreas Reinhardt verlassen, gewann die nächsten 6 Partien und ein beträchtliches Preisgeld, das ich teilweise sogleich zur Einleitung der ‚Feierlichkeiten‘ in mehrere Bierrunden investierte, an denen auch einige Eupener Schachfreunde teilnahmen.
Am Sonntag konnte unsere 1. Mannschaft in der Besetzung Reiner Klüting, Wilfried Sirringhaus, Rudi Schumacher und als Gastspieler Günter Schäfer in der Division den Grenz-Echo-Pokal gewinnen.
In unserer Berichtsserie haben wir bereits mehrfach die Erfolge der Jugend beim KSK Rochade Eupen-Kelmis und SV Hemer herausgestellt. In besonderem Maße hervorhebbar ist die nun bereits 54 Jahre (!) währende Jugendtrainingsarbeit von Werner Paulus vom KSK 47 Eynatten (vgl. auch den 1. Teil unseres Berichtes), der über 1000 Jugendliche für das Schachspielen begeistern konnte. (siehe Bericht des Grenzechos vom 12. 5. 2017)
Vom SV Hemer waren 1979 in Eupen auch 2 Schülermannschaften erfolgreich, die von Rudi Schumacher gecoacht wurden. (s. IKZ-Bericht vom 12. 4. 1979) 1981 reisten die Jugendspieler des SV Hemer bereits am Donnerstag an (s. WP-Zeitungsbericht vom 15. 4. 1981) und quartierten sich in einer Eupener Jugendherberge ein. Am Freitag gab es dann ein Freundschaftsturnier mit der Eupener Schachjugend. Hierbei stand nicht der Wettkampfcharakter im Vordergrund, sondern die Vertiefung der freundschaftschaftlichen Verbindungen zwischen Eupen und Hemer.
Von den ehemaligen Jugendspielern ist insbesondere Hermann Carnein hervorzuheben, der neben mehreren Vereinstiteln seit 1977 bis heute regelmäßig an internationalen Turnieren mit großen Erfolgen teilgenommen hat. Unvergesslich geblieben ist sein erfolgreiches Debut am ersten Brett beim sonntäglichen Auftaktkampf gegen Herne in Charleville 1991, als er sein Brett nicht nur gegen seinen Herner Gegner, sondern auch gegen den verspätet, noch etwas schlaftrunken erscheinenden Wilfried verteidigte, der seinen ‚Ersatzmann‘ nicht akzeptieren wollte. Ein weiteres Mal erfolgreich war Hermann bei seinem Gastauftritt 2014 in der Eupener Mannschaft in Hemer, wo er seinem Kontrahenten der Siegermannschaft Hemer eine empfindliche Niederlage zufügte.
Als weitere erfolgreiche damalige Jugendspieler des SV Hemer, die bisher nicht in der Berichtsserie genannt wurden und sowohl Vereinstitel als auch internationale Erfahrung gesammelt haben, sind zu nennen: Volker Rätsch, Detlev Zuleger (mit sehr vielen internationalen Turnieren, zudem 1984 Südwestfalenmeister der C-Jugend), Dieter Schreiber und Björn Silberberg. Ab 1985 war Malte Stopsack der herausragende Jugendspieler des SV Hemer mit zahlreichen Vereinstiteln und vorderen Plätzen bei überregionalen Wettbewerben, darunter eine deutsche Vizemeisterschaft 1990 in der U15-Jugend. Last but not least sind die ehemaligen Jugendspieler Andreas Jagodzinsky (seit 20 Jahren 1. Vorsitzender) und Marc Störing (1998 Dähnepokalsieger und seit Jahrzehnten ‚Kapitän‘ des SV Hemer bei den 10-Städte-Turnieren) herauszustellen.
Im Folgenden möchten wir einige Erfolge der aktuellen Hemeraner Jugend beleuchten, die schon viele Jahre von WGM Carmen Voicu-Jagodzinsky (amtierende Deutsche Meisterin und 1991 U-10 Weltmeisterin) und Andreas Jagodzinsky (1997 mit der SG Bochum 31 Deutscher Jugendmannschaftsmeister), Spitzenbretter unser jetzigen 1. Mannschaft, sehr erfolgreich trainiert werden.
Viele interessante Details zu diesen Erfolgen lassen sich in den anderen Rubriken der Homepage des SV Hemer nachlesen. Die unfreiwillig verlängerte Corona-Saison 2019 – 2021 brachte 2 Aufstiege: Die 1. Jugendmannschaft U 20 stieg in die Bundesliga NRW auf, die Frauenmannschaft mit sehr vielen Jugendlichen in die 1. Bundesliga. Auf dem Foto sind Moritz Runte und die Frauenmannschaft zu sehen, von links: Catriona Dartmann Aubanell, WGM Luminita Cosma, Linda Becker, Valerija Naumenko, WFM Alessia-Mihaela Ciolacu, WGM Carmen Voicu-Jagodzinsky.
WFM Alessia-Mihaela Ciolacu ist mit 16 Jahren (!) vor einigen Wochen Rumänische Meisterin geworden; sie holte 7,5 Punkte aus 9 Partien und erreichte ein beeindruckendes Elo-Plus von 98 Punkten. Unter anderem siegte sie gegen die 12fache rumänische Meisterin IM Corina-Isabela Peptan. Beim Sportland NRW Cup in Dortmund, der vor wenigen Tagen beendet wurde, bezwang Alessia in einer beeindruckenden Partie GM Michail Saltaev.
In diesem Turnier erreichte sie mit 4,5 aus 9 ihre erste WIM-Norm (Elo-Performance 2354, weiteres Elo-Plus von 87 Punkten). GM Saltaev spielte von 2003 bis 2011 für den KSK Rochade Eupen-Kelmis und 2013 bis 2016 für den KSK 47 Eynatten. Seit 2004 ist er Stammspieler des SV Mülheim Nord in der Bundesliga. Vor genau 20 Jahren kreuzte Reiner – auch in Dortmund (A-Open) – mit GM Saltaev die Klingen und unterlag nach langer Gegenwehr in einem remisverdächtigen Endspiel.
Linda Becker wurde 2018 und 2019 U-14 NRW-Meisterin und 2020 Dritte der Deutschen U-14 Meisterschaft. Valerija Naumenko erreichte 2020 den 5. Platz der Deutschen U-18 Meisterschaft.
Moritz Runte, 2019 U-18 NRW-Meister, belegt ein Spitzenbrett in der 1. Mannschaft und ist bereits Jugendtrainer, der den C-Trainer-Schein erlangt hat.
Mehr als 50 Prozent (nämlich 41 von 71) der Mitglieder/innen vom SV Hemer sind Jugendliche. Ähnlich wie Werner Paulus (siehe oben) konnte Carmen Voicu-Jagodzinsky zahlreiche Jugendliche ihrer Schulschach-AGs für das Vereinsschach gewinnen. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass in jedem Mannschaftskampf der 1. Mannschaft mindestens 4 Jugendliche auflaufen, an den ersten Brettern neben Moritz Runte (bereits 2014 in der Siegermannschaft des 10-Städte-Turniers spielend) auch Timo Leonard, an den weiteren Brettern Fabian Dat Trinh und Artur Mai, der seine erste internationale Erfahrung 2018 in Veldhoven sammelte. Auch Valerija und Linda kamen bereits zum Einsatz in der ersten Mannschaft.
In der Bildergalerie im Tab ,Bilder‘ unter der Homepage-Rubrik ‚Neues‘ können hierzu viele Fotos eingesehen werden.
Verlassen wir nun wieder die Jugend und kommen zurück zu den etwas ‚älteren Semestern‘. Für den SV Hemer haben auch Gastspieler aus anderen Vereinen an den internationalen Turnieren teilgenommen. In den letzten 2 Jahrzehnten sind 2 Letmather, Martin Grürmann und Guido Heeke, zu sehr erfolgreichen Stammspielern des Teams geworden. Ende der 70er / Anfang der 80er Jahre begleiteten uns auch einige Spieler des Mendener SK, Fritz Tillmann, Helmut Sander und Caspar Semer (1910 – 2013), dessen 85jährige Vereinsmitgliedschaft (zunächst Mendener SK, danach SV Menden 24) sicherlich einen Rekord darstellt (siehe Fotodatei zu Beginn unseres Berichtes), ebenso wie seine grandiose verlustpunktfreie Performance von 7 aus 7 als bester Einzelspieler des Hemeraner Teams in Charleroi 1978 beim 8-Städte-Turnier. Auch noch nach seinem 100. Geburtstag spielte Caspar Semer, eine außergewöhnliche und humorvolle Persönlichkeit, aktiv Vereinsschach!
Zum Aufenthalt 1979 in Eupen ist noch eine Verwirrung stiftende Hemeraner Begegnung mit der Sommerzeit nachzutragen. Zur Erläuterung dieser plötzlich auftretenden Verwirrung folgendes: 1973 und 1979 gab es 2 Ölpreiskrisen, die eine EU-Diskussion über Energieeinsparmöglichkeiten auslösten. Frankreich führte als erstes EU-Land 1976 die Sommerzeit ein; danach folgte 1977 Belgien und erst 1980 Deutschland (obwohl bereits 1978 beschlossen, siehe hierzu den Wikipedia-Artikel „Sommerzeit“) und die restlichen EU-Länder.
Am Sonntagmorgen nach dem Frühstück unternahm ein Teil der Hemeraner Mannschaft einen Ausflug ins Hohe Venn und nach Monschau. Die schönen landschaftlichen Impressionen und das gemütliche Flair des Städtchens ließen uns die Zeit vergessen. Im Glauben, aufgrund mehrerer in Monschau zu sehenden öffentlichen Uhren noch genügend Zeit zu haben, rechtzeitig zum nachmittäglichen Turnierbeginn zurückzukehren, verplauderten wir uns beim Frühschoppen. Außerdem hatten einige von uns vergessen, tags zuvor die Uhren um eine Stunde vorzustellen. Nur einer in der Ausflugstruppe blieb hellwach; er musste beträchtliche Anstrengungen investieren, um uns von der Notwendigkeit einer sofortigen Rückkehr nach Eupen zu überzeugen. Mit 15 Minuten Verspätung gelangten wir an unsere Bretter….
Bereits im 3. Teil unseres Berichtes hatten wir die beiden souveränen Siege des SK Rochade Eupen beim Felsenmeerpokalturnier des SV Hemer 1977 und 1979 herausgestellt. 1979 stellte Eupen in Hemer das stärkste Kontingent mit 4 Teams, wie die Westfalenpost am 19. 6. 1979 vermerkte. In diesem Jahr fanden die Hemeraner Sportspiele (siehe auch 1977) eine außerordentlich große Resonanz bei den Schachspielern. An 3 Tagen vor dem Felsenmeerpokalwochenende wurden im Friedrich-Leopold-Woeste Gymnasium Trainingsabende abgehalten, an denen sich auch nichtorganisierte Schachspieler beteiligten. Der SV Hemer trug ein 4er-Mannschaftswettbewerb aus, wobei ein turniererfahrenes Vereinsmitglied jeweils das 1. Brett einer Mannschaft besetzte. Die Mannschaft „Petrosjan“ unter Leitung von Hans Walter siegte verlustpunktfrei. Die Namensgebung stammte natürlich von Hans Walter; Tigran Wartanowitsch Petrosjan war schließlich sein Vorbild. Hans – 1963 südwestfälischer Verbandsmeister – holte zahlreiche Vereinstitel und belegte stets ein Spitzenbrett in der 1. Seniorenmannschaft. Er zeigte häufig ein faszinierendes Verteidigungsspiel, das an dieses große Vorbild erinnerte. Obwohl er die Nerven seiner Mannschaftskameraden mit seiner notorischen Extremzeitnot strapazierte, verlor er selten durch Zeitüberschreitung. Hatte Hans eine angenehme Stellung erreicht, murmelte er leise in zufriedenem, fast singendem Ton: „…der alte Petrosjan…“
Die Saison 1981/1982 ist ein Höhepunkt in der Vereinsgeschichte des SV Hemer, da sie nach einem Aufstieg den erstmaligen und bisher einzigen Auftritt der 1. Seniorenmannschaft in der NRW-Liga, der damalig dritthöchsten Klasse Deutschlands, bescherte. (siehe hierzu einen eigenen Bericht in der Rubrik ‚Vereinsgeschichte‘) Außerdem fanden mehrere Feierlichkeiten zum 50jährigen Jubiläum statt, unter anderem ein Simultanturnier mit Exweltmeister Boris Spassky. In 25 Partien gab Spassky lediglich 2 Remis ab, eines gegen Wilfried Sirringhaus. Zwei Wochen später spielte der Deutsche Jugendmeister Stefan Kindermann simultan gegen die jugendlichen Nachwuchstalente des SV Hemer. Zum Abschluß dieses ereignisreichen Junimonates richtete der SV Hemer in der Festhalle Becke das Bezirksblitzturnier für 6er Mannschaften aus, mit anschließender Jubiläumsfeier. Die NRW-Einzelmeisterschaften der Damen und Herren rundeten im Oktober die Veranstaltungsserie des Jubiläumsjahres 1982 ab.
Wir möchten nun – 10 Jahre später – etwas näher die Saison 1991/1992 beleuchten, die in der Vereinsgeschichte Eupens einen hohen Stellenwert einnimmt. Im ersten Teil unseres Berichtes hatten wir bereits die herausragenden Erfolge Eupens geschildert. Sie gehen letztlich zurück auf diese Saison, die vor 30 Jahren begonnen hatte. Das Vereinsheim am Kehrweg, eines der schönsten Schachlokale Belgiens, war fertiggestellt worden; die 3monatige Renovierung der Räumlichkeiten wurde von den Vereinsmitgliedern durchgeführt. Die 1. Mannschaft spielte nach ihrem Aufstieg zum ersten Mal in der 1. Division und hatte sich mit russischen Titelträgern (GM Dautow, GM Kalinishev, GM Kovalew, GM Aseev, IM Chuchelov) verstärkt, zu denen im Rahmen des 1. CERA Chess Open 1991 erste Kontakte geknüpft worden waren. Die Großmeister zählten damals zur Weltspitze. Chuchelov errang seine Großmeisternormen in Eupen; er lebt noch heute dort und ist mittlerweile ein ‚Startrainer‘ geworden. In der Chronik 1990/91 der Homepage des SK Rochade ist nachzulesen, dass 1991 eine Ära begonnen hat, in der jedes Vereinsmitglied prinzipiell die Möglichkeit hatte, einmal gegen einen IM oder GM zu spielen. Im März 1992 drehte das Belgische Fernsehen beim SK Rochade einen Kurzbericht über die erste Mannschaft, die in ihrer ersten Saison in der 1. Division gleich den 3. Platz erreichte. Hier die damalige Mannschaftaufstellung (in Klammern die Punktausbeute):
GM Dautow (7,5 / 8)
GM Kovalew (6,5 / 7)
IM Chuchelov (7 / 8)
R. Meessen (5,5 / 11)
M. Ahn (4 / 10)
N. Bergmans (6 / 10)
D. Plumanns (6 / 11)
E. Roessler (3,5 / 9)
IM Schneider (2 / 3)
IM Sonntag (1,5 / 2)
FM Gabler (0 / 1)
M. Foguenne (0,5 / 2)
GM Aseev (1 / 3)
GM Kalinishev (1 / 1)
J. Breuer (0,5 / 1)
W. Pelzer (0 / 1)
Die zahlreichen Erfolge der 4 Vereine SF Wirtzfeld, KSK 47 Eynatten, KSK 1958 Rochade Eupen-Kelmis und ASV Aachen verdanken sich auch der belgisch-deutschen Schachfreundschaft; viele Spieler der Deutschsprachigen Gemeinschaft Ostbelgiens und im Aachener Schachbezirk besitzen eine doppelte Vereinszugehörigkeit. Dieter Plumanns berichtete mir, dass er schon seit Jahren auch am Spitzenbrett der 2. Mannschaft des PTSV Aachen (Post Aachen, vgl. hierzu auch die Erfolge von Post Aachen in den Turniertabellen der ersten Berichtsteile zum Wanderpokal der Ostkantone) spiele; hier sind unter den 18 gemeldeten Spielern 7 Belgier. Einige Spieler vom SV Hemer spielen aktuell für SF Wirtzfeld. In den 70er Jahren nahmen Heinz Ahrens und Wilfried Sirringhaus an belgischen Mannschaftskämpfen für Rochade Eupen teil.
Inspiriert durch die schönen Landschaft des Hohen Venn und den Schachausflug nach Charleville 1991 im Rahmen des 10-Städteturniers unternahm ich am 9. April 1992 eine mehrtägige Radtour über 460 km von Bochum nach Charleville-Mézières, mit der Planung, in Eupen eine Wochenendpause für die Teilnahme am CERA-Chess-Open einzulegen. Die zweite Tagesetappe am 10. 4. führte mich über 150 km (aufgrund meines mangelhaften Orientierungssinns mit ca. 10 % ‚Umwegkilometer‘) von Köln durch die Eifel über Simmerath und Monschau nach Eupen, wo ich erst um Mitternacht eintraf. Aufgrund meiner Riesenverspätung hatte ich wenig Hoffnung, eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden. Großes Glück hatte ich, als ich in der beginnenden Nacht im Turniersaal noch einige Eupener, darunter Günter Delhaes antraf, die den Saal für das Turnier vorbereiteten. Günter verschaffte mir dankenswerterweise schnell eine private Ferienunterkunft, zu der einen Tag später auch die Schachlegende Karl-Heinz Podzielny stieß.
Dieses Schnellschachturnier war mit 171 Teilnehmern, darunter 10 GM und 36 Titelträger, hochkarätig besetzt. Es siegte GM Shabalow vor IM Chuchelow und IM Avshalumov. Mein Abschneiden gehörte in die Kategorie „Unter ferner liefen…“; trotzdem bekam ich von Günter noch einen schönen ‚Trostpreis‘ ausgehändigt, eine Flasche edlen Weißwein.
Eine kleine Anekdote zu diesem Wochenende: In der privaten Ferienunterkunft waren Karl-Heinz Podzielny und ich in benachbarten Gästezimmern untergebracht. In der Nacht von Sonntag auf Montag (13. April) wachte ich um 3.20 Uhr durch einen lauten, Knall auf. Ich schaute auf die Uhr und dachte: ‚Kann der ‚Potz‘ bei seinen Eskapaden nicht mal leise sein, wenn er nach Hause kommt?‘ Da der Knall ca. 10-15 Sekunden andauerte, überlegte ich kurz, wieviel Schränke der ‚Potzblitz‘ wohl umgeworfen haben müsste, um einen derartigen Lärm zu verursachen, schlief dann aber wieder schnell ein. Beim Frühstück am anderen Morgen erfuhr ich dann erstaunt von meiner Gastfamilie, dass nicht Podzielny, sondern ein Erdbeben mit einer Stärke von 5,9 auf der Richterskala mit dem Epizentrum 4 km südwestlich von Roermond den ‚Lärm‘ verursacht hatte. Und: Podzielny war schon am Sonntagabend abgereist.
Wie ich aus den Informationen des Wikipedia-Artikels „Erdbeben von Roermond 1992“ entnehmen konnte, war das Erdbeben in dieser Region seit dem Dürener Beben von 1756 das stärkste Erdbeben; es war selbst in Berlin, Mailand und London zu spüren. Das Erdbeben hatte sich ohne Vorbeben ereignet. Entlang der Maas und Rur entstanden längere Spalten und Erdrutsche. In der Umgebung von Heinsberg entstanden die größten Sachschäden. In den nächsten Wochen folgten noch über 150 Nachbeben.
Zurück zur 50jährigen Freundschaft von Hemer und Eupen: Sowohl bei Rochade Eupen als auch beim SV Hemer stand in ihrer jahrzehntelangen Freundschaft neben dem Schachspielen immer auch die Geselligkeit im Vordergrund. Dies dokumentieren auch mehrere Zeitungsartikel unserer Berichtsserie, unter anderem auch 2 Berichte zum 10-Städteturnier in Charleville 1982 und 1991. Der erstere (von Norbert Bergmans) resümiert in der „Rochade“ 1982 einen Eupener Elebnisbericht. Zwar bekam Hemer damals bei der ersten Gastgeberrolle von Charleville keine Mannschaft zusammen, holte dies aber beim zweiten Gastgeberauftritt von Charleville 1991 (siehe IKZ-Artikel September 1991) mit einer größeren Truppe nach, die dann bereits freitags anreiste, darunter die einmalige ‚Stimmungskanone‘ und der gute Geist der Mannschaft, August Linnenlücke. Beiden Berichten ist zu entnehmen, dass das Streben nach Geselligkeit sowohl ‚Schlaf‘- als auch ‚Leistungsdefizite‘ produzierte, die aber sicherlich sowohl von Eupen als auch Hemer gerne in Kauf genommen wurden. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass 2016 in Eupen Spieler beider Mannschaften im direkten Duell sich vor und während der Schachpartie einander zuprosteten. Angesichts der immer größer werdenden Zuspitzung des Leistungsgedankens – der ja durchaus berechtigt sein mag – haben solche positive Szenen in internationalen Freundschaftskämpfen eher Seltenheitswert. Sie sind es aber, die den traditionell guten Ruf solcher Veranstaltungen aufrechterhalten.
Während der endgültigen Fertigstellung dieses 4. Teils unseres Berichtes ereigneten sich ein Jahrhundertunwetter und eine Hochwasserkatastrophe, die riesengroße Flächen von Belgien (insbesondere die Maasregion), den Niederlanden (hier vor allem Roermond und Venlo), Luxemburg, Rheinland-Pfalz und NRW heimsuchte. Auch das Sauerland mit Hagen und Altena war in besonderem Maße betroffen, etwas weniger Hemer und Iserlohn. Uns erschütterten die Fotos von Eupen, Lüttich und Verviers, die diese Unwetterkatastrophe dokumentieren. Die Todesfälle der Menschen, die sich vor den Fluten nicht mehr retten konnten, das Ausmaß der Schäden und die damit verbundenen individuellen Schicksale (Verlust des eigenen Zuhauses) in all diesen Regionen erfüllen uns mit Trauer und Anteilnahme. Wir hoffen, dass unsere Eupener Schachfreunde wohlauf sind und die Flutschäden ihrer schönen Stadt bald behoben werden können.
Zum Abschluss bedanken wir uns ganz besonders bei unserem Webmaster Marcus Schmücker für die schöne und professionelle Ausgestaltung unserer Berichtsserie mit den vielfältigen Fotodateien. Marcus Schmücker, professioneller A-Trainer des DSB und Verfasser mehrerer Schachbücher (zuletzt „Das Londoner System – richtig gespielt“, Joachim Beyer Verlag 2016), spielte viele Jahre an einem Spitzenbrett der 1. Mannschaft des SV Hemer, sowohl in der heimischen Liga als auch für das Team Hemer im 10-Städte-Turnier. Aktuell geht er für die Königsspringer Iserlohn in der NRW-Liga auf Punktejagd. Auf seiner eigenen Homepage www.schachcoach.com mit Video-Kanal streamt Marcus regelmäßig, darunter auch Schachevents des SV Hemer, die insbesondere unsere Damen- und Jugendmannschaften betreffen. Neben Rudi Schumacher, Carmen Voicu-Jagodzinsky, Andreas Jagodzinsky und neuerdings auch Moritz Runte hat Marcus großen Anteil an der erfolgreichen Entwicklung unserer Jugendarbeit, die ja auch beim KSK Rochade Eupen-Kelmis und KSK 47 Eynatten im Mittelpunkt steht.
Für die Zukunft wünschen wir unseren belgischen Schachfreunden alles Gute, viel Erfolg und noch viele interessante und gemütliche internationale Begegnungen, sei es in Eupen, Hemer oder anderswo.
50 Jahre Städtefreundschaft mit Eupen
Teil 3
(ein Bericht von Reiner Klüting und Herbert Cloosters mit hilfreicher Unterstützung von Dieter Plumanns, Günter Delhaes und Marc Störing, 20. 6. 2021)
Auch der 3. Teil unseres Berichtes beginnt mit einigen Dateien mit Fotos, die als Nachträge zu den ersten beiden Teilen anzusehen sind. Die Fotos zu Helmut Schumacher sind der Chronikrubrik der Homepage KSK 47 Eynatten entnommen, die Fotos zu KSK Rochade 1958 Eupen-Kelmis der Jubiläumsfestschrift 2008. Das Farbfoto (von Marc Störing, Eupen 2016) zeigt links Eckhard Rößler, Helga Walter und Helmut Schumacher. Auf dem unteren Foto im Simultankampf gegen Karpov ist Norbert Bergmans der dritte Spieler von rechts. Er schaffte ein spektakuläres Unentschieden gegen den Weltmeister.
Das nächste Bild zeigt den Namensvetter von Helmut Schumacher, Rudi Schumacher vom SV Hemer in Aktion. Beide belegten jahrzehntelang das Spitzenbrett der 1. Mannschaft in ihren Vereinen. In einem Zeitraum von 34 Jahren, von 1954 – 1988, sammelte Rudi Schumacher beim SV Hemer 48 Vereinstitel – ein einsamer Rekord! Rudi kümmerte sich jahrzehntelang intensiv um die schachliche Nachwuchsarbeit. Seine Erfolge bei diesem unermüdlichen Engagement sind nicht zuletzt auch in den Siegen von Schüler- und Jugendmannschaften in Eupen ablesbar.
Das nächste Foto zeigt noch einmal eine Zusammenfassung der Jugenderfolge Eupens im Zeitraum von 1958 – 1979 sowie eine Fortsetzung der Chronik des Wanderpokals der „Ostkantone“ (1974 – 1978). In einem etwas längeren historisch-politischen Exkurs beschäftigen wir uns nun mit dem Begriff „Ostkantone“, der ja namensstiftend für den traditionellen „Wanderpokal der Ostkantone“ (1961 – 1990, immer eine Woche vor Ostern) gewesen ist.
Quellen unserer Ausführungen sind hierbei die sehr informativen Wikipedia-Artikel zu „Belgien“, „Ostbelgien“, „Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens“ und Fazilitäten-Gemeinde“, aus denen wir einige Punkte zusammenfassen werden. Eine weitere lesenswerte Ergänzung ist die Homepage des „Zentrums für Ostbelgische Geschichte“.
Als „Ostkantone“ oder „Ostbelgien“ (in den 1920er Jahren waren die Begriffe „Neubelgien“ und auch später noch „Eupen-Malmedy“ geläufig) werden seit 1919 die 3 Kantone Eupen, Sankt Vith und Malmedy bezeichnet. Im engeren Sinne bezieht sich die Bezeichnung „Ostkantone“ nur auf die deutschsprachigen Kantone Eupen und Sankt Vith, die die Deutschsprachige Gemeinschaft (DG) bilden. Die 9 Gemeinden (zweisprachige „Fazilitäten-Gemeinden“) sind: Kanton Eupen mit Eupen, Kelmis, Lontzen und Raeren, Kanton Sankt Vith mit Sankt Vith, Amel, Büllingen, Burg-Reuland und Bütgenbach. 3 international bekannte Schachvereine sind hier beheimatet: natürlich die beiden im ersten Teil unseres Berichtes vorgestellten KSK Rochade Eupen-Kelmis und KSK Eynatten (seit der Gemeindefusion 1977 ein Stadtteil Raerens) und SF Wirtzfeld. Wirtzfeld, auch Mitglied im Freundschaftsring des 10-Städte-Turniers, ist ein kleines Dorf mit 431 Einwohnern und gehört zur Gemeinde Büllingen.
Im weiteren Sinn werden zu Ostbelgien auch die beiden mehrheitlich französischsprachigen Gemeinden Stadt Malmedy und Weismes (frz. Waimes) des Kantons Malmedy dazugezählt, die der Französischsprachigen Gemeinschaft Belgiens angehören. Die heutigen 11 Gemeinden von Ostbelgien eint eine gemeinsame Vergangenheit. Seit dem Wiener Kongress 1815 (siehe auch Chronik Eupens im 1. Teil unseres Berichtes) fasste Preußen die Gemeinden in 2 Landkreisen Eupen und Malmedy zusammen, die ab 1871 bis zum Versailler Vertrag 1919 zum deutschen Kaiserreich gehörten Ganz allgemein lässt sich feststellen, dass über Jahrhunderte die „Niederlande“ – in etwa die heutigen BeNeLux-Staaten – Herrschaftsgebiet und Spielball auswärtiger Mächte waren.
Von den Begriffen „Ostbelgien“ und „Ostkantone“ und insbesondere von dem Begriff „Deutschsprachige Gemeinschaft“ zu trennen ist die allgemeine Bezeichnung „deutschsprachige Belgier“ oder auch „deutschsprachige Minderheit Belgiens“, deren Siedlungsgebiet über die Gemeinden der Ostkantone hinausgeht und das „Montzener Land“ (auch als „Altbelgien-Nord“, „Plattdietse Streek“, „Plattdeutsche Gemeinden“ bezeichnet) einschließt, das bereits seit 1830 zu Belgien gehört. Das Montzener Land im Nordosten Belgiens, offiziell dem französischen Sprachgebiet zugeordnet, liegt rund 5 – 20 km südwestlich von Aachen zwischen der flämischen Gemeinde Voeren und dem Norden der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Die deutschsprachige Mehrheit der Ostkantone Eupen und St. Vith umfasst ca. 78000, die übrige deutschspachige Minderheit Belgiens ca. 100000 Bürger/innen.
Zurück zur Deutschsprachigen Gemeinschaft (historischer Vorläufer „Rat der deutschen Kulturgemeinschaft“, RDK) der 9 Gemeinden der Ostkantone: Die Gemeinden liegen im Osten der Provinz Lüttich in der „Wallonischen Region“. Dies ist ein Beleg für den komplexen Staatsaufbau Belgiens, da u. a. die Hoheitsgebiete der „Regionen“ mit jenen der „Gemeinschaften“ nicht deckungsgleich sind (am ehesten noch die „Flämische Sprachgemeinschaft“ mit der „Region Flandern“). Seit ca. 1970 versucht Belgien, durch eine Dezentralisierung der Staatsorganisation dem seit dem 19. Jahrhundert anhaltenden flämisch-wallonischen Konflikt zu begegnen. Dazu wurde mit der 4. Staatsreform 1993 Belgien in einen Bundesstaat, bestehend aus 3 „Regionen“ und 3 „Gemeinschaften“, umgewandelt: Im politischen Grundgerüst dieser 6 „Gliedstaaten“ bilden die bereits oben genannten „Deutschsprachige Gemeinschaft“ und „Französische Gemeinschaft“ mit der „Flämischen Gemeinschaft“ 3 „Gemeinschaften“; parallel dazu gibt es die 3 Regionen „Flandern“, „Wallonien“ und „Brüssel-Hauptstadt“, mit einer teilweisen „konstitutiven Autonomie“, die ein verfassungsrechtliches Bindeglied zwischen „Region“ und „Gemeinschaft“ darstellt. So stimmt das Wallonische Parlament in Namur über sogenannte „Dekrete“ ab, die auf dem Gebiet der Wallonischen Region Gesetzeskraft haben. Im Rahmen der konstitutiven Autonomie kann das Wallonische Parlament per Zweidrittelmehrheit über „Sonderdekrete“ abstimmen, mit denen es teilweise seine eigene Funktionsweise abändern kann, um beispielsweise die Ausübung gewisser Zuständigkeiten an die Deutschsprachige Gemeinschaft (DG) abzutreten. Das Parlament der DG (25 Vertreter, 4 Minister, Verwaltungssitz in Eupen) wird seit 1984 alle 5 Jahre direkt von der Bevölkerung gewählt.
Neben lokalen und national-belgischen Belangen engagiert sich die ostbelgische Politik in der Entwicklung des Dreiländerecks der Euregio Maas-Rhein rund um die regionalen Zentren Maastricht, Lüttich und Aachen. Dies ist Eupen in besonderem Maße auf schachlicher Ebene gelungen: neben den regelmäßigen nachbarschaftlichen Freundschaftskämpfen im Dreiländereck mit Stolberg und Maastricht die jahrzehntelange Ausrichtung des internationalen Wanderpokals der Ostkantone seit dem Jahre 1961, abgelöst 1991 durch das Cera-Chess-Open und der seit 1974 bestehende internationale 8-Städte/10-Städte-Freundschaftsring.
Die beiden obigen Bilder, entnommen aus der Festschrift des SV Hemer zum Internationalen Schachwochenende am 11./12. Mai 1974, informieren über die Gründung und die Gründungsmitgliedervereine des internationalen Städteringes. Eine führende Rolle bei dieser Gründung haben die beiden Vorsitzenden von Rochade Eupen und SV Hemer, Günter Delhaes und Alfred Wolschendorff (1914-1986) gespielt. Günter Delhaes wurde 1974 zum Präsidenten des Städteringes gewählt, der nach seiner Erweiterung auf 10 Städte 1980 in den „Europäischen Freundschaftsring“ umbenannt wurde. Alfred Wolschendorff, der fließend Französisch sprach, stellte die Kontakte zum Gründungsmitglied Sedan her, das zu den entscheidenden Vorstandsgesprächen am 6./7. Oktober 1973 sogar ein französisches Fernsehteam nach Charleroi mitbrachte. Wolschendorff, neben seiner nimmermüden Funktionärstätigkeit ein sehr guter Schachspieler mit zahlreichen Vereinserfolgen (14 Vereinstitel), hatte für Hemer bereits in den 50er Jahren internationale Fernschachkontakte mit dem Polizei-Schachclub Sheffield initiiert. Sein Engagement für die Ausrichtung des Internationalen Felsenmeerpokals in Hemer fand sowohl 1972 als auch 1974 Anerkennung bei der FIDE; der damalige Präsident der FIDE, Prof. Dr. Max Euwe schickte Grußbotschaften nach Hemer. Beim zweiten 8-Städteturnier 1975 in Bladel nahm Euwe als Gast teil. 1976, ein Jahr später, wurde Euwe – inzwischen 75 Jahre alt – am belgischen Nationalfeiertag (21. Juli) zum Ehrenbürger Eupens ernannt.
Waren zunächst neben 2 französischen und 2 deutschen Mannschaften 3 belgische und 3 niederländische Teams am Start, kamen später – ab 1998 – luxemburgische Mannschaften hinzu, so dass das Format mit 2 Mannschaften aus 5 Ländern, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Frankreich und Deutschland erreicht wurde. (siehe Chronik 10-Städte-Turniere, „Hall of Fame“) In der inzwischen 47jährigen Geschichte des Europäischen Freundschaftsringes haben bisher folgende Städte teilgenommen:
Frankreich: Charleville-Mézières, Metz, Nancy, Sedan, St. Dizier
Belgien: Charleroi, Eupen, Raeren, Wirtzfeld
Niederlande: Bladel, Boxtel, Leende, Nieuwendam, Tilburg, Veldhoven
Luxemburg: Belvaux, Differdange, Ettelbrück, Nordstad
Deutschland: Berrenrath, Unser Fritz Wanne-Eickel, Herne-Sodingen, Hemer
Dieser mehrteilige Bericht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; er beleuchtet erinnerungswürdige Ereignisse und erzählt bisweilen auch Anekdoten.
Besonders hervorhebenswert erscheint uns das Jahr 1977 (übrigens das Geburtsjahr des aktuellen Vorsitzenden des SV Hemer, Andreas Jagodzinsky, der bereits 20 Jahre in diesem Amt die Geschicke des Vereins lenkt), zum einen der sehr souveräne Gewinn des Felsenmeerpokals von Rochade Eupen als zum zweiten die Tatsache, dass Hemer 2 (!) internationale Turniere in einem Jahr ausrichtete.
Eine Woche vor Ostern reiste eine größere Hemeraner Delegation zum internationalen Eupener Schachwochenende. Beim Einzelblitz am Samstag erreichten unter 90 Teilnehmern in der Endrunde die Hemeraner Wilfried Sirringhaus, Herbert Cloosters und Reiner Klüting die Plätze 5, 7 und 8. Diese guten Platzierungen waren nicht zuletzt ein Verdienst der 4 fürsorglichen ‚persönlichen Coaches‘, die die 1. Mannschaft (neben den genannten 3 auch Andreas Reinhardt) an diesem Wochenende regelmäßig mit ‚flüssiger‘ Nahrung ‚aufpushten‘. Heutzutage würde diese ‚Geste‘ sicherlich einen Dopingverdacht nahelegen; damals verursachte eine leichte Überdosierung des köstlichen belgischen Bieres (verbunden mit Gangunsicherheit und fehlerhaften Ausweichmanövern bei der Begegnung mit einem Außenspiegel eines parkenden PKWs) bei einigen wenigen Hemeranern und ihren betreuenden Coaches (die sogenannte Bochumer ‚Papageienhaus‘- Connection) einen samstagnächtlichen Kurzaufenthalt bei der Eupener Polizeiwache. Dank einer sofortigen und umsichtigen, deeskalierenden Intervention von unseren Eupener Schachfreunden in Person des Vorsitzenden Günter Delhaes konnten diese Hemeraner Nachteulen schnell ins Hotel zurückkehren.
Erstaunlicherweise erwies sich dieser Vorfall am Sonntag nicht als leistungsmindernd. Obwohl eine frühmorgendliche Probe einer Blaskapelle die nächtliche Erholung im legendären „Eupener Hof“ erheblich verkürzte, wurde am frühen Sonntagabend der SV Hemer als erfolgreichster Verein beider Turniertage bei der Siegerehrung ausgezeichnet.
Einige Anmerkungen zum „Eupener Hof“: Der Eupener Hof wurde 1903 errichtet; bis 1980 diente er als Hotel, Restaurant und Café. Einige Jahre war der Eupener Hof auch das Vereinslokal von Rochade Eupen. Wenige Jahre später wurde das Gebäude grundlegend renoviert, unter Beibehaltung der sehr hübschen Fassade mit Jugendstilcharakter. Es entstanden schöne gut gelegene Eigentumswohnungen auf den Etagen und eine Geschäftsfläche im Erdgeschoss. Das Foto vom heutigen Eupener Hof hat uns dankenswerterweise Alfred Küchenberg zur Verfügung gestellt.
Für viele Hemeraner Schachspieler war der Eupener Hof eine sehr beliebte Übernachtungsherberge mit großzügig ausgestalteten Gästezimmern und einem Café mit stilvollem Ambiente. Eine attraktive Theke mit schneller, sympathischer Bedienung verwöhnte uns direkt nach dem Einchecken beim Frühschoppen, der mit dem ‚Buben legen‘ (ein Kartenspiel) nicht nur den Erstkontakt mit dem köstlichen belgischen Gerstensaft ermöglichte, sondern gleichzeitig auch die Feinmotorik für das nachmittägliche Blitzspielen abstimmte und trainierte. In der spätabendlichen ‚Nachbereitung‘ der Schachkämpfe erweckte neben dem Skatspiel auch eine besondere Art des Würfelschockens das Interesse einiger Hemeraner. Mein Bruder Hans-Peter und ich (Reiner) wurden vom Eupener Urgestein Alfred Radermacher in die so von uns getaufte ‚belgische Variante‘ bzw. ‚Eupener Variante‘ des „Schockens“ eingeweiht, in der „Jule“ (auch „scharfe Sieben" genannt) mit den Zahlen 4 – 2 – 1 zwischen „Schock-Sechs“ und „Schock-Aus“ eingereiht wird und dem Verlierer eine Hypothek von 7 Straf-Bierdeckeln einbringt.
Einmal wurden Wilfried Sirringhaus und Andreas Reinhardt nach dem samstäglichen Frühstück von ihrem Weg zum Spiellokal durch massiven Dauerregen aufgehalten. Zufällig fanden sie Unterschlupf in einer Gaststätte, in der ein Preisskat veranstaltet wurde. Kurzerhand nahmen sie am Skatturnier teil und ergatterten sogar ein kleines Preisgeld.
Zurück zu den sonntäglichen Schacherfolgen 1977 in Eupen:
Die 1. Mannschaft in der Aufstellung Wilfried Sirringhaus, Herbert Cloosters, Andreas Reinhardt und Reiner Klüting siegte – trotz der Schlafdefizite, aber vielleicht auch wegen des tags zuvor erhaltenen ‚Dopings‘ – in der 1. Division und gewann den Pokal des Sportbundpräsidenten.
Die 2. Mannschaft mit Hans Walter, Curt Kleinmichel, Hans Peter Klüting und Heinz Ahrens erreichte in der Promotion A hinter dem Titelverteidiger Dehrn den 2. Platz.
Die 3. Mannschaft in der Besetzung Peter Borchert, Klaus Schreiber, Wolfgang Cloosters und Hubert Wöffen erspielte sich einen beachtlichen 5. Platz in der Promotion B, zumal Wolfgang Cloosters und Hubert Wöffen ihrer gleichzeitigen „Coaching“-Funktion für die 1. Mannschaft auch am Sonntag ‚vorbildlich‘ nachkamen.
Rudi Schumacher betreute dieses Mal die 1. Schülermannschaft des SV Hemer. Sie spielte in der Aufstellung Volker Rätsch, Haas, Schäfer und Christa Schumacher (die Nichte von Rudi) hervorragend und verlor erst in einem Stichkampf um den ersten Platz gegen Wesseling.
Die 2. Schülermannschaft, gecoacht von Horst Hopp, in der Besetzung Tönnes, Stefan Reinhardt, Hermann Carnein (damals 12 Jahre alt) und Lung belegte bei ihrer ersten internationalen Erfahrung einen guten 6. Platz.
Kommen wir nun zu den beiden internationalen Turnieren, die der SV Hemer 1977 ausrichtete. Als Quellen dienen einige Zeitungsartikel der Westfalenpost und der Westfälischen Rundschau, die uns dankenswerterweise Eberhard Thomas und Christoph Schulte vom Stadtarchiv Hemer zur Verfügung gestellt hat.
Im Rahmen der Hemeraner Sportspiele vom 25. Juni – 1. Juli 1977 fanden sowohl das internationale Schachwochenende am 25./26. Juni und vom 27. Juni bis 1. Juli ein 4erMannschaftsschnellturnier für organisierte und nichtorganisierte Schachspielerinnen und Schachspieler statt. Für Jugendliche und Schüler wurde das Jugendheim am Perick, für die anderen das damalige Vereinslokal „Lindenhof“ bereitgestellt. Nach Beendigung der Partien bestand für Anfänger und Amateure die Möglichkeit, ihre Partien mit erfahrenen Spielern zu analysieren.
Beim Hauptturnier am Samstag nahmen 112 Schachspieler teil; in der Gruppe A siegte hier mit großem Vorsprung und in überragender Form die Mannschaft von Rochade Eupen. Mit einem 7-1 Kantersieg gab sie dem SV Hemer das Nachsehen. Die Mannschaftsaufstellung des Siegers Eupen:
1. Robert Schuermans
2. Paul van Herck
3. Eugen Weiss
4. Dieter Plumanns
5. Heinz Gründling
6. Peter Mecking
7. Ralph Breuer
8. Norbert Bergmans
2 Jahre später, 1979, konnte Rochade Eupen erneut herausragend und souverän (ohne Punktverlust und mit 6 Mannschaftspunkten Vorsprung!) den Felsenmeerpokal verteidigen. (1978 fiel das internationale Turnier in Hemer aus.)
Der Einzelscore der Mannschaftsmitglieder:
1. E. Carl (6,5/7)
2. Norbert Bergmans (6/7)
3. Dieter Plumanns (6,5/7)
4. Peter Mecking (6/7)
Ein Nachtrag bzw. eine Korrektur zum Zeitungsartikel der Westfalenpost vom 27. 6. 1977: Es war nicht der „erste“ Felsenmeerpokal, sondern der zweite, neu gestiftete Pokal von Bürgermeister Hans Meyer. Den ersten Felsenmeerpokal hatte der SV Schwelm 1974 – 1976 dreimal hintereinander gewonnen und folglich endgültig als Trophäe mit nach Hause genommen.
In der Gruppe B siegten die Königsspringer aus Iserlohn.
Nur zweieinhalb Monate später fand in Hemer das zweite internationale Turnier des Jahres 1977 statt: Dieses Mal war der SV Hemer zum ersten Mal Ausrichter des 8-Städte-Turnieres. Hierzu waren 2 Spielstätten organisiert worden: am Samstag das für internationale Anlässe bereits häufig genutzte Soldatenheim und am Sonntag das Gesellenhaus W. Betzinger in Niederhemer.
Groß war der Jubel des Siegers Herne, weil sie erstmalig den Goldpokal gewinnen konnte, vor Veldhoven und Eupen. Das Foto des Westfalenpost-Artikels vom 13. 9. 1977 zeigt den strahlenden Mannschaftsführer Hermann Schubert, der als ‚Urgestein‘ und Mitbegründer in jeder Hinsicht eine Bereicherung für dieses Städteturnier gewesen ist.
Herne siegte danach weitere 4 Male hintereinander und ist in der bisherigen Gesamtbilanz mit 18 Turniersiegen das beste Team.
Zum Abschluß des Berichtes haben wir noch eine Partie zum Nachspielen, die uns dankenswerterweise Dieter Plumanns geschickt hat. Die Partie ist aus der 1. Runde der Jugendweltmeisterschaft 1978, in der Norbert Bergmans gegen Yasser Seirawan gespielt hat. Seirawan, amerikanischer Schachgroßmeister syrischer Abstammung, wurde ein Jahr später, 1979, Juniorenweltmeister U 20 und war Sekundant von Viktor Kortschnoi im WM-Kampf gegen Anatoli Karpow. Die Partie konnte Norbert lange Zeit gegen diesen Spitzenspieler ausgeglichen gestalten.
50 Jahre Städtefreundschaft mit Eupen
Teil 2
(ein Bericht von Reiner Klüting mit Informationen und Fotos von Dieter Plumanns und Günter Delhaes, 3. 5. 2021)
Der zweite Teil des Berichts beginnt mit 2 Fotos aus den 70er Jahren, die mir dankenswerterweise Günter Delhaes zur Verfügung gestellt hat. Das erste Foto zeigt eine Gruppenaufnahme unserer Schachfreunde vom SK Rochade 1958 Eupen, das zweite die Mannschaft des SV Hemer 1932 beim Sieg des ersten Städte-Turniers im September 1974 in Eupen. (Der IKZ-Zeitungsartikel hierzu wird demnächst in der Homepage-Rubrik „10-Städte-Turniere“ eingestellt werden.)
Eupener Gruppenfoto:
stehend von links: Günter Delhaes, Joseph Pluymen, Gerd Weiss, Georges Demonceau, Dieter Plumanns, Heinz Gründling, Bernd Loo, Norbert Bergmanns, Ralph Breuer, Erich Koep, Jürgen Groffy
Sitzend von links: Eugen Weiss, Werner Paulus, Ernst Reuter, Peter Mecking
Hemer:
von links: Alfred Wolschendorff, Heinz Ahrens, Hans Walter, Norbert Romanski, Wilfried Sirringhaus, Andreas Reinhardt, Heinz Scholly, Peter Borchert
Von dem Eupener Foto möchte ich 4 sehr starke Spieler herausstellen, die alle (!) belgische Jugendlandeseinzelmeister bzw. Landesvizemeister geworden sind: Dieter Plumanns Landesvizemeister der Schülerklasse 1969 in Bredene, Bernd Loo 1972 Landesmeister in Brügge, Ralph Breuer Landesmeister 1977, Norbert Bergmanns Landesmeister 1979.
Wie mir Dieter Plumanns mitteilte, gab es früher in Belgien 3 Jugendklassen:
a) Kadetten bis 15 J.
b) Schüler von 15 bis 18 J.
c) Junioren von 18 bis 21 J.
Im Vergleich hierzu gab es damals in Deutschland eine Zweiteilung: Schüler bis 16 J. und Jugend 16 bis 21 J.
Dieter Plumanns hat neben der belgischen Vize-Landesjugendeinzelmeisterschaft 1969 und zahlreichen Vereinstiteln (darunter 4mal hintereinander Vereinsmeister von 1975 – 1978) viele Turniere gewonnen (mehrfach das Reiner-Sistenich Turnier); als Blitzspezialist (1987 Verbandsblitzmeister) holte er stets hervorragende Platzierungen in den Endrunden der internationalen Blitzturniere des Palmsonntagswochenende ‚Wanderpokal der Ostkantone‘.
Bernd Loo holte nach dem nationalen Einzeltitel 1972 zusammen mit Norbert Bergmanns 1973 den Vize-Landesmeistertitel. Auch er gewann viele Turniere und wurde 1993 als Sportler des Jahres ausgezeichnet.
Norbert Bergmanns, der ebenfalls viele Turniere in seiner Schachlaufbahn gewonnen hat, erreichte nach seinem nationalen Einzeltitel bei der Jugend-WM in Graz 1979 einen sehr guten 16. Platz bei 40 Teilnehmern.
Ralph Breuer gewann 1977 die Landesmeisterschaft der Kadetten in Ostende und belegte einen beachtlichen 28. Platz bei der anschließenden Kadetten-WM in Nizza 1978. Natürlich holte auch er viele Turniersiege.
Alle vier waren lange Stammspieler der ersten Mannschaft. Insbesondere Dieter Plumanns und Norbert Bergmanns spielten auch in der 1. belgischen Division recht erfolgreich.
Die Chronik des Turniers „Wanderpokal der Ostkantone“, 1961 – 1973, habe ich der Jubiläumsschrift des SK Rochade 1958 Eupen von 1974 entnommen (siehe Chronik- Datei). Aus aktuellem Anlass (siehe Ausfall des beliebten 10-Städte-Turniers in Wirtzfeld 2020 wegen der Coronakrise) gehe ich mit einem etwas längeren Exkurs sowohl in das Jahr 1962 zurück, in dem das Eupener Turnier terminlich verlegt werden musste, als auch in das Jahr 1970 nach Wickede-Wimbern, nicht unweit von Hemer entfernt. Beide Regionen hatten mit der Pockenepidemie zu kämpfen. Als lesenswerte Quellen empfehle ich den Wikipedia-Artikel „Pocken“ und die im Netz veröffentlichte PDF-Datei der medizingeschichtlichen Dissertation von Lena Maria Elisabeth Lindner (genauere Quellenangaben siehe unten am Ende dieses Berichtes), aus denen ich im folgenden einige Punkte zusammengefasst habe.
Nach dem deutsch-französischen Krieg hatten die Pocken (DNA-Viruserreger Variola vera) als ‚Kriegsseuche‘ 1870 – 1873 in Deutschland über 120000 Todesopfer gefordert. Reichskanzler Otto von Bismarck führte 1874 ein Impfgesetz ein, welches eine Erstimpfung bis zum 2. und eine Wiederholung im 12. Lebensjahr regelte. Hatte es nach dem 1. Weltkrieg 1919 in Deutschland noch ca. 5000 Erkrankungen gegeben, sank diese Zahl nach 1922 schnell. Ab 1945 war Deutschland kein Pockenepidemiegebiet mehr, bis sich im Februar 1962 die Ereignisse im Eupener und Aachener Raum entlang der deutsch-belgischen Grenze überschlugen.
Kurz vor Weihnachten 1961 hatte ein Monteur, der für seinen Betrieb in Bombay tätig war, seine Heimreise nach Lammersdorf/Kreis Monschau angetreten; er entwickelte am 5. 1. 1962 erste Krankheitssymptome, die sowohl bei der ersten ärztlichen Untersuchung als auch einige Wochen später im Hamburger Tropeninstitut (in dem er routinemäßig nach seiner Indienreise untersucht wurde) zunächst fälschlich als Windpocken diagnostiziert wurden.
Der Monteur, der 1958 und 1960 geimpft worden war, steckte seine Ehefrau und beide Kinder an; alle 4 überlebten. Insgesamt gab es 33 Infizierte mit 4 schwer Erkrankten und einem Todesfall; ca. 700 Personen waren in 20 verschiedenen Quarantänestationen und in über 50 Hausquarantänen abgesondert. Die Viren wurden nicht nur durch die aufgeplatzten eitrigen Pusteln übertragen, sondern konnten auch durch aerogene Ströme in einem Umkreis von 20-40 Metern(!) ihre infizierende Wirkung entfalten, wenn ein betroffener Erkrankter hustete. Diese extreme Reichweite war damals nicht bekannt. Bis zum 4. 2. 1962 fanden 11000 Impfungen statt. In der Nachbetrachtung stellten Ärzte einen sehr milden Verlauf der Epidemie fest.
Am 4. 2. 1962 erklärte die WHO den Kreis Monschau zum „internationalen Infektionsgebiet“; am 12. 2. 1962 zogen die Behörden entlang der belgisch-deutschen Grenze die Notbremse. In einem Telegramm aus Eupen an den Provinzgouverneur in Lüttich und an die zuständigen Minister wurde eine hermetische Abriegelung der Grenze vorgeschlagen, sowohl im Bereich Verviers als auch im wallonischen Malmedy. Am 28. 2. 1962 erfolgte aus dem Eupener Rathaus die Absage des Karnevals, der sich die gesamte Grenzregion anschloss.
Im Unterschied zur heutigen Coronapandemie, die aufgrund der Unsichtbarkeit der anfänglichen Krankheitssymptomatik nicht selten verharmlost, teilweise verleugnet wird, herrschte trotz Impfschutz (!) damals teilweise eine panische Angst vor dem sichtbaren Pockenausschlag in Teilen der Bevölkerung, die durch eine wenig aufklärende mediale Berichterstattung zusätzlich befeuert wurde.
8 Jahre später ereilte 1970 die letzte Pockenepidemie Deutschlands Wickede-Wimbern (Kreis Soest), nicht unweit von Menden im Märkischen Kreis, eine Zeitlang NRW-Corona-Hochrisikogebiet mit Ausgangssperre um 21.00 Uhr, gelegen. Ein 20jähriger Elektriker mit lückenhaftem Impfschutz (ohne Pockenschutzimpfung im Kindesalter) kehrte aus Pakistan ins nördliche Sauerland nach Meschede zurück, und wurde dort mit dem Verdacht auf Typhus in die Isolierstation eines Krankenhauses gebracht. Bis zum 15. 1. 1970 entwickelte er das Vollbild der Pocken und wurde daher in die gerade erst eingerichtete Pockenbehandlungstelle Wickede-Wimbern verlegt; er überlebte die Krankheit. Trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen in Meschede und Wimbern gab es 19 weitere Infektionen, die allesamt auf aerogenem Wege erfolgten. Insgesamt gab es 4 Todesfälle und 303 Menschen, die in 11 verschiedenen Einrichtungen ihre Quarantäne verbrachten. Hierbei wurden die chronisch vorerkrankten Personen im Mescheder Krankenhaus passiv immunisiert, weil ein Lebendimpfstoff für diese Gruppe zu große Risiken erwarten ließ.
Kleine historische Anmerkung zum Impfstoff: Eine erste einfache Vorstufe zur Impfung war in China und im Nahen Osten die sogenannte „Variolation“, die prophylaktische Übertragung des Pustelinhaltes von zermörserten, eingetrockneten Pockenkrusten von genesenen Pockenkranken auf andere Menschen. Schon der persische Arzt, Mathematiker, Philosoph und Jurist Avicenna (980 – 1037) hatte die Variolation durch Haut zu Haut-Übertragung oder per Inhalation des Staubes empfohlen.
Am 8. 5. 1980 verkündete die WHO, dass die Pocken „ausgerottet“ seien. Angesichts einer zunehmenden Impfskepsis und Impfzurückhaltung, die sich beispielsweise mit dem Wiederaufflackern von lokalen Masernepidemien (zuletzt München 2013 und Köln 2018) konstatieren läßt, blicke ich eher pessimistisch in die Zukunft…
Die Leserin und der Leser verzeihe mir bitte diese recht lange Schilderung von historischen nichtschachlichen Ereignissen, die aber beide Städte, die Region Eupen in Ostbelgien und die Region Hemer im Märkischen Kreis verbindet. Nimmt man noch die inzwischen in der Coronapandemie seit langem bestehenden „Quarantäne-Schachligen“ und andere „Online-Schachevents“ hinzu, ist dieser historische Bezug zur Pockenepidemie, der die Verschiebung des Eupener Turniers im Jahre 1962 verursacht hat, vielleicht nicht völlig fehl am Platz. Es bleibt zu hoffen, dass alle Schachfreunde baldmöglichst und natürlich gesund an die „realen“ Schachbretter zurückkehren können!
„Springen“ wir nun in das Jahr 1972 des SV Hemer 1932, in dem gleich 4 internationale Turniere in den Mittelpunkt rückten, davon 3 in Belgien: Eupen, Lüttich und Charleroi. Ausführlicher gehe ich auf das Eupener internationale Schachwochenende und auf das 1. Internationale Turnier in Hemer ein.
Bei ihrer zweiten Teilnahme in Eupen wurden die Hemeraner Schachspieler als beste Mannschaft des Eupener Turnierwochenendes ausgezeichnet. (siehe die IKZ-Zeitungsberichte vom 30. 3. und vom 4. 4. 1972)
Am Samstag holte sich in der Gruppe A die 1. Mannschaft des SV Hemer beim Schnellschach in der Besetzung Rudi Schumacher, Wilfried Sirringhaus, Hans Walter und Curt Kleinmichel hinter Dehrn den zweiten Platz. Bemerkenswert war hierbei der Sieg von Rudi Schumacher über seinen Namensvetter vom SK Eupen 47. In der Gruppe B spielte die 2. Mannschaft in der Reihenfolge Alfred Wolschendorff, Andreas Reinhardt, Heinz Ahrens und Dieter Barsch in 9 Runden hervorragendes Schach; bei 8 Siegen und einem Remis sicherte sie sich souverän den ersten Platz.
Die Jugendmannschaft der Hemeraner in der Besetzung Hans-Peter Klüting, Klaus Schreiber, Norbert Romanski und Karl-Heinz Elsweiler und die Schülermannschaft mit einem Kader von 6 Spielern sammelten in den Gruppen wertvolle internationale Turniererfahrung.
Am Sonntag drehten beide Seniorenmannschaften ihre Platzierungen vom Vortage in den Langschachpartien um: Während die 1. Mannschaft von Hemer in der Promotion A ohne Punktverlust dieses Mal vor Dehrn siegte, belegte die 2. Mannschaft hinter Deurne den zweiten Platz.
Sensationell verwies die Jugendmannschaft des SV Hemer als Gewinner der Jugendgruppe die favorisierten Mannschaften aus Den Haag auf die Plätze 2 und 3 und erhielt einen wunderschönen Wanderpreis (siehe Foto des Zeitungsartikels).
In der Schülermannschaft erreichten wir in der Brettreihenfolge Reiner Klüting, Frank Walter, Volker Rätsch und Ingo Schneiders 2,5 von 4 Punkten und den 4. Platz unter 10 Mannschaften; wie im vergangenen Jahr kämpfte ich – dieses Mal ein schnelles Matt vermeidend – erfolgreich gegen einen Monheimer Gegner (Monheim 2). Hier siegte die 1. Mannschaft von Monheim.
Unser Vorsitzender Alfred Wolschendorff überbrachte Grüße von Bügermeister Meyer und überreichte dem Vereinsvorsitzenden des SK Rochade Eupen, Günter Delhaes, ein Stadtwappen von Hemer. Gleichzeitig sprach er eine Einladung zum 40jährigen Jubiläum des SV Hemer aus.
Bereits einen Monat später starteten sowohl der SV Hemer als auch der SK Rochade Eupen mit einer 8er Mannschaft bei einem internationalen Freundschaftsturnier in Lüttich; es ging um den Pokal „Tournoi du Perron“. Der „Perron“ in Lüttich (altfranzösisch: „großer Stein“), nach dem die Lütticher Schachfreunde ihr jährliches Turnier benannt haben, stellt die obere Steinsäule des Lütticher Marktbrunnens dar und gilt als Justizsymbol der mittelalterlichen Städtefreiheit. Karl der Kühne (1433 – 1477), Herzog von Burgund (siehe auch Wikipedia-Artikel) ließ nach der ‚Rebellion‘ einiger Lütticher gegen die Beschneidung ihrer bürgerlichen Rechte und Privilegien den Perron abbauen und nach Brügge versenden. Hiermit wollte er die Bewohner Lüttichs bestrafen und gleichzeitig die Inbesitznahme des Fürstentums anzeigen. Nach seinem Tod wurde der Perron 1477 zurückgegeben. Nachdem später die ursprüngliche Säule durch einen Sturm umgeworfen worden war, wurde die heutige Säule 1697 von Jean Del Cour (1627 – 1707) unter Hinzufügung der Figurengruppe der ‚3 Grazien‘ (Göttinnen der griechischen/römischen Mythologie) neu aufgebaut. Zur Zeit wird die Gruppe der Grazien im Ansembourg Museum von Lüttich aufbewahrt. Der originale Marmor wurde im 19. Jahrhundert durch Materialien wie Gips und Bruchstein ersetzt.
In diesem Turnier erreichte der SV Hemer in der Besetzung Wilfried Sirringhaus, Curt Kleinmichel, Andreas Reinhardt, Alfred Wolschendorff, Dieter Barsch, Klaus Schreiber, Karl-Heinz Elsweiler und Norbert Romanski einen beachtlichen 5. Platz. Sieger wurde Maastricht. Dieses Turnierformat von 8er-Mannschaften hatte auch Vorbild- und Initiatorfunktion sowohl für die ab 1972 beginnenden internationalen Turniere in Hemer (und zwar hier am Turniersonntag) als auch für die ab 1974 jährlich stattfindenden, sehr beliebten 8-/10-Städteturniere. Alfred Wolschendorff lud in Lüttich noch weitere Vereine für unser Jubiläumsturnier in Hemer ein.
Im Rahmen der 900-Jahr-Feierlichkeiten der Stadt Hemer (erste urkundliche Erwähnung der Stadt Hemer unter dem Namen „Hademare“) startete am Samstagmorgen des 23. 6. 1972 anlässlich des 40jährigen Jubiläums des SV Hemer dann das 1. Internationale Turnierwochenende im Soldatenheim Hemer (nach Abriss 1993 entstand hier später das Felsenmeercenter), welches mit einem Glückwunschtelegramm des damaligen Präsidenten des FIDE-Weltschachverbandes, Prof. Dr. Max Euwe, bedacht wurde. Die Schirmherren der Veranstaltung waren Oberst Tornau und Oberstudiendirektor Dr. Meyer vom Friedrich-Leopold-Gymnasium. Aus Belgien nahmen Eupen, Verviers, Lüttich, und Charleroi teil, aus Holland Bladel. Sowohl das vormittägliche Mannschaftschnellschachturnier als auch das Mannschaftslangschachturnier um den Felsenmeerpokal gewann die SG Bochum 31 vor dem SV Menden 24. Bei der Jugend siegte am Vormittag wie am Nachmittag Menden 24 vor Hitdorf. In der Schülergruppe gewann am Samstag morgen Bamberg (Rheinland) vor dem Mendener SK, am Nachmittag Monheim vor Hemer und dem Mendener SK.
Die Damen Ahrens, Walter und Zielert führten die aus Belgien als Begleitung ihrer Ehemänner angereisten Ehefrauen durchs Felsenmeer. Bei der samstäglichen Siegerehrung erhielten unsere Schachfreunde aus Eupen ein schönes Präsent (siehe den IKZ-Zeitungsartikel vom 27. 6. 1972 und die Fotos) von Bürgermeister Hans Meyer. Günter Delhaes, seit 1972 Träger der Silbernen Vereinsnadel des SV Hemer, erwiderte diese Ehrung damit, dass er mit der Übergabe einer Ehrenurkunde und einem Bild aus Eupen Bürgermeister Meyer zum ersten ausländischen Ehrenmitglied des SK Rochade Eupen ernannte. Mit einem gemütlichen Beisammensein, das allen Beteiligten in sehr guter Erinnerung geblieben ist, klang der Abend aus.
Am Sonntag wurde in der Gaststätte „Lindenhof“, wo heute das umgebaute italienische Restaurant Rocco Ligorio seine Gäste bewirtet, unter der Turnierleitung von Heinz Ahrens ein Einzelblitzturnier mit fast 90 Teilnehmern durchgeführt. Nach 2 Vorturnieren holte im Finale der Mendener Hans-Werner Ackermann den 1. Preis, gefolgt von Dieter Buchenthal und Hans-Peter Urankar aus Bochum. Auf den weiteren Plätzen folgten die Mendener Claus-Peter Levermann, Werner Nicolai und Erich Weyrauch, Dieter Becker vom SK Eupen 47 und Wilfried Sirringhaus.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Jahre 1971 und 1972 für den SV Hemer der Beginn einer intensiven Pflege von internationalen Freundschaften gewesen sind. Einen entscheidenden Anteil haben hieran die beiden Vorsitzenden Günter Delhaes vom SK Rochade Eupen und Alfred Wolschendorff vom SV Hemer. Wie 1972 beteiligte sich Hemer auch 1973 an 4 internationalen Turnieren, zunächst in Eupen, dann im Juni in Sedan, schließlich im August in Hemer und am Ende des selben Monats in Charleroi. Ein Jahr später entstand der alljährlich im September stattfindende Freundschaftsring (erst 8, dann 10 Städte) mit Vertretern aus Belgien, Frankreich, Holland und Deutschland.
Quellen:
Zur Pockenepidemie: 1. Wikipedia-Artikel „Pocken“ und „Variolation“ 2. www.grenzecho.net/33913/artikel/2020-03-31/1962-attackierten-pocken-die-region, aufgerufen am 19. 4. 2021 3. Lena Maria Elisabeth Lindner, „Ausbruch einer hochinfektiösen lebensbedrohlichen Erkrankung in Nordrhein-Westfalen. Welche Erfahrungen der Pockenausbrüche in NRW können in die heutige Zeit übertragen werden?“ – Dissertation als PDF-Datei Düsseldorf 2016, S. 83-107, aufgerufen am 19. 4. 2021
Zum „Perron“ in Lüttich: 1. Wikipedia-Artikel „Karl der Kühne“ 2. https://www.visitezliege.be/de/der-perron, aufgerufen am 19. 4. 2021
50 Jahre Städtefreundschaft mit Eupen
Teil 1: 1971 – Der Beginn einer langen Freundschaft
(ein Bericht von Reiner Klüting mit hilfreichen Informationen von Herbert Cloosters, 3. 4. 2021)
Der SV Hemer pflegt sehr viele Freundschaften zu Schachvereinen in Deutschland und Europa, über die an verschiedenen Stellen dieser Homepage bereits berichtet wurde (siehe insbesondere die Rubriken „10-Städte-Turniere“ und „Frauenschach“).
Die ‚Wiege‘ der ersten internationalen Kontakte ist im belgischen Eupen zu finden, und zwar vor genau 50 Jahren am 3./4. April 1971 mit der Teilnahme des SV Hemer am Wanderpokal der Ostkantone, der regelmäßig jedes Jahr eine Woche vor Ostern seit 1961 ausgerichtet wurde. 30 Jahre später wurde dieser Wanderpokal durch das Cera Chess Open abgelöst, an dem bereits zahlreiche Großmeister aus aller Welt teilgenommen haben.
Die wechselvolle Geschichte Eupens dokumentiert ein Auszug aus dem offiziellen Gemeindemitteilungsblatt 1973 der Stadt Eupen, welcher in einer Festschrift des SK Rochade 1958 Eupen zum Internationalen Schachwochenende am 6./7. April 1974 veröffentlicht wurde (siehe Datei). Anläßlich des 300jährigen Jubiläums der Verleihung der Stadtrechte war Eupen 1974 der erste Ausrichter des internationalen Städteturniers, das bekanntlich der SV Hemer gewinnen konnte.
In der Mitgliederübersicht Rochade Eupens (siehe Datei) von 1974 sind auch 2 Hemeraner aufgeführt: als Ehrenmitglied der damalige Bürgermeister Hans Meyer und als spielendes Mitglied Heinz Ahrens, der auch mehrere belgische Mannschaftswettkämpfe bestritt. Viele schöne Erinnerungen an spannende Schachpartien und vor allem an gesellige Abende verbinden die Spieler des SV Hemer mit den Eupenern, für mich beispielsweise mit Günter Delhaes, Bernd Loo, Norbert Bergmans, Dieter Plumanns, Alfred Radermacher und Erich Koep.
Helga und Hans Walter pflegten eine jahrzehntelange Freundschaft mit dem Spitzenspieler des SK Eupen 47, Helmut Schumacher, den Helga Walter beim 10-Städte-Turnier 2016 in Eupen nach längerer Zeit wiedergesehen hat. Helmut Schumacher, der auch viele Jahre Präsident des SK Eupen 47 war, gewann 1969 die belgische Landeseinzelmeisterschaft und nahm für Belgien an 5 Schacholympiaden teil, zum ersten Mal in Siegen 1970, wo auch Boris Spasski und Bobby Fischer ihre Klingen kreuzten. Als Fan von Boris Spasski sah ich hier als Zuschauer eine siegreiche Zertrümmerung der damals gern von Fischer gespielten populären Grünfeld-Indischen Verteidigung.
Die Region Eupen ist eine Schachhochburg, in der zwei national wie international sehr erfolgreiche Vereine beheimatet sind: der KSK 47 Eynatten und der KSK Rochade Eupen-Kelmis, mit dem wir nun bereits 50 Jahre eine Städtefreundschaft pflegen.
Werner Paulus (siehe Mitgliederübersicht) ist seit Jahrzehnten 1. Vorsitzender des KSK 47 Eynatten, einer seit 2003 bestehenden Fusionsgemeinschaft zwischen Turm Eynatten 1974 (von Paulus mitbegründet) und SK Eupen 47, der bereits 1963 in die 1. belgische Division aufstieg und 1974 zum ersten Mal belgischer Landesmeister wurde. Auch Carmen Voicu-Jagodzinsky spielte bereits für den KSK 47 Eynatten. Der KSK Eynatten (siehe Homepage www.ksk47eynatten.be und Wikipedia-Artikel zum Verein) wurde 9 Mal belgischer Landesmeister und nimmt seit 2003 regelmäßig am European Club Cup teil. Der Mannschaftsführer ist seit vielen Jahren der 2. Vorsitzende des Vereins, Bernd Loo. Werner Paulus, selbst von Peter Godesar, dem damaligen Jugendtrainer des SK Rochade 1958 Eupen ausgebildet, hat Generationen von Jugendspielern das Schachspielen nähergebracht und ihnen eine erfolgreiche Schachkarriere ermöglicht. Die Statistik der überragenden Erfolge: 78 Jugendlandesmeistertitel, 38 Teilnahmen an Jugend-Europameisterschaften und 36 Teilnahmen an Jugend-Weltmeisterschaften.
Der KSK Rochade Eupen-Kelmis (s. Homepage www.skrochade.net und Wikipedia-Artikel zum Verein), 1989 durch die Fusion von SK Rochade 1958 Eupen und dem SK Kelmis entstanden, wurde zwischen 1994 und 2001 8mal belgischer Mannschaftsmeister in Folge und hat seit 1995 insgesamt 17 Mal am European Club Cup teilgenommen. Hierbei qualifizierte sich 1996 der Verein nach dem Erreichen des Finales der Vorrunde in Paris für die Endrunde in Budapest.
Seit 1968 leitete Günter Delhaes als Präsident jahrzehntelang die Geschicke des Vereins, bevor er ab 2012 von Eckhard Rößler abgelöst wurde. Günter Delhaes war ab 2008 viele Jahre Präsident des Königlichen Schachbundes Belgien; zusätzlich engagierte er sich ab 2014 in der Eventkommission der Europäischen Schachunion und seit 2018 auch in der Eventkommission der FIDE. Zusammen mit unserem damaligen 1. Vorsitzenden Alfred Wolschendorff war er Hauptinitiator des 8-Städteringes (ab 1980 10 Städte), der seit 1974 regelmäßig (Ausnahme: das Coronajahr 2020, hoffentlich bleibt es bei dieser einen Ausnahme…) am ersten Septemberwochenende dieses allseits beliebte, traditionsreiche Schnellschachturnier ausrichtet.
1991 wurde das in ruhiger idyllischer Lage gelegene Vereinsheim des Schachclubs am Kehrweg fertiggestellt: 3 großzügig und liebevoll gestaltete Räume auf 300 m² mit einem sehr schönen Barraum und frisch gezapftem Bier, das ich in den ‚Erholungspausen‘ beim 10-Städteturnier 2016 in Eupen sehr genießen konnte.
Dieter Plumanns war der jahrzehntelange Turnierleiter des KSK Rochade Eupen-Kelmis, dem ich für vielerlei Informationen und Statistiken (siehe auch die Folgeberichte zu „50 Jahre Städtefreundschaft mit Eupen“) zu den internationalen Eupener Turnieren sehr dankbar bin. Turnierleiter-Nachfolger von Dieter Plumanns ist heute Nicolas Rößler, der Sohn des 1. Vorsitzenden Eckhard Rößler.
Ebenfalls zu großem Dank verpflichtet bin ich Eberhard Thomas und Christoph Schulte vom Stadtarchiv Hemer, die mir großzügig und schnell lokale Zeitungsberichte der Westfalenpost aus dem Jahr 1971 zur Verfügung stellten. (siehe Dateien der Westfalenpost vom 8./9. April 1971)
Der erste Teil des mehrteiligen Berichtes beschäftigt sich ausschließlich mit dem Jahr 1971: Aufgrund der Einladung von Günter Delhaes zum 11. Internationalen Mannschaftsturnier (incl. des 2. Internationalen Jugendturniers) charterte eine größere Delegation unseres Schachvereins – teilweise in Begleitung ihrer Ehefrauen – einen Bus und startete am frühen Samstagmorgen (3. April) die Reise nach Eupen.
Am Samstagnachmittag startete im legendären Kolpinghaus an der Bergstraße ein 5-rundiges Schnellschachturnier mit 60 4er Mannschaften, das unsere 1. Mannschaft in einer stark besetzten Gruppe mit einem sehr guten 3. Platz und 6-4 Mannschaftspunkten beendete. Hierbei gelang ihr ein sensationelles 2-2 gegen den bereits damals renommierten belgischen Erstligisten SK Eupen 47 (1974 belgischer Landesmeister).
Nach Abschluss dieses Schnellschachturnieres sorgte abends die Eupener Bayernkapelle – zu fortgeschrittener Stunde dirigiert von zwei Damen des SV Hemer, Frau Ahrens und Frau Walter – für einen gelungenen Tagesausklang.
Am Sonntag ging es dann im Hauptturnier um den Pokal der Ostkantone, ebenfalls in 4er Mannschaften mit normallanger Turnierbedenkzeit. Es starteten in mehreren Klassen 224 Spieler in 56 Mannschaften. In der Ehrendivision siegte Post Aachen, in der Division und der Promotion C der SK Eupen 47, Kevelaer in der Promotion A.
In der Promotion B spielte die erste Mannschaft des SV Hemer in der Besetzung Rudi Schumacher, Hans Walter, Heinz Ahrens und Heinz Scholly. Wie am Samstag belegte die Mannschaft hinter dem Sieger Attak Heerlen wieder einen guten 3. Platz.
Unsere 2. Mannschaft konnte in der Promotion D nicht komplett antreten; es fehlte ein vierter Spieler. Nach dem Frühstück am Sonntagmorgen hatte Heinz Ahrens eine grandiose rettende Idee: Busfahrer Brolle. In einem Crashkurs brachte Heinz unserem Busfahrer das Schachspiel bei, vergaß aber, ihm die Bedeutung der „Qualität“ zu erklären. Brolle musste dann seine Partie ausgerechnet gegen den Stadtmeister von Verviers absolvieren. Ohne Furcht und Zögern tauschte Brolle selbstbewusst seine Türme gegen die gegnerischen Leichtfiguren ab, was dem Stadtmeister sehr lange Grübelphasen bescherte. Immerhin brauchte er 31 Züge, um unseren gut kämpfenden Amateur zu besiegen. In dieser Gruppe siegte Ech. Liegeois.
Unsere Jugendspieler in der Besetzung Andreas Reinhardt, Wilfried Sirringhaus, Klaus Schreiber und Hans Peter Klüting hatten sich mit sehr starker Konkurrenz zu messen; es reichte trotzdem für einen guten 5. Platz.
Auch die Schülermannschaft mit Heinz-Jürgen Czerwinski (der immer noch aktiver Spieler des SV Menden 24 ist), Frank Walter, Reinhard Ruberg und mir hatte gegen internationale Gegnerschaft keinen leichten Stand. Trotz richtiger Eröffnungsbehandlung gegen Albins Gegengambit verlor ich am 2. Brett mit Weiß schnell den Faden und wurde nach 14 Zügen von dem Monheimer H. B. Görgens mattgesetzt. Da meine Mannschaftskameraden länger und besser kämpften, reichte es in der Endtabelle trotzdem für den 4. Platz.
Insgesamt haben sich unsere Mannschaften bei dieser erstmaligen Teilnahme an einem internationalen Turnier sehr gut geschlagen. Viel wichtiger erwiesen sich aber die zahlreichen neuen Kontakte zu vielen Städten und Vereinen, insbesondere zu unseren Schachfreunden des ausrichtenden Vereins KSK Rochade Eupen-Kelmis, und natürlich auch des KSK 47 Eynatten. Und ebenso hervorhebenswert: das wunderschöne und faszinierende Ambiente der Stadt Eupen!
Fazit: 1971 – der Beginn einer langen Freundschaft!
Ein Glanzlicht der Vereinsgeschichte
Der Aufstieg in die NRW-Liga vor 40 Jahren
(Ein Bericht von Reiner Klüting, 16. 2.
2021)
Am 22. 2. 1981 gelang der 1. Mannschaft des SV Hemer ein bisher nie wieder erreichtes Husarenstück: Sie besiegte im letzten Verbandsliga-Mannschaftskampf der Saison 1980/81 den SV Schwelm mit 5-3, wurde mit 11-3 Punkten südwestfälischer Verbandsmeister und stieg in die NRW-Liga auf, die damals die dritthöchste Klasse Deutschlands war.
Nach genau 40 Jahren hat die heutige erste Mannschaft in dieser außergewöhnlichen ‚Corona-Saison‘ 2019-2021 (Hoffentlich wird die Saison in diesem Jahr beendet….) die Chance, als Tabellenerster der Verbandsliga mit dem gleichen Punktestand von 11-3 (ein gutes Omen?) bei noch 2 ausstehenden Kämpfen die NRW-Ebene mit dem Aufstieg in die NRW-Klasse zu erreichen.
Unterschiede zu damals: Ab der Verbandsebene bestehen mit Ausnahme der 1. Bundesliga alle Klassen aus 10 Mannschaften (damals Verbandsebene: 8-10 Mannschaften). Zudem ist die NRW-Klasse inzwischen die fünfthöchste Klasse Deutschlands, d. h. unsere Erste müsste aus der Verbandsliga noch dreimal aufsteigen, um die jetzige NRW-Oberliga als dritthöchste Klasse Deutschlands zu erreichen. Hieran sieht man, dass die Anzahl der Mannschaften in den oberen Klassen mit den Jahren zugenommen hat, allerdings auf Kosten des Mannschaftsbetriebes der Bezirksebenen, die immer mehr ausgedünnt wurden. Beispiele: Schachbezirk Iserlohn, in dem zunächst die Bezirke Hagen und Iserlohn fusionierten. Außerdem ist die Zahl der Mannschaften in einzelnen Klassen zurückgegangen. Beispiel Duisburg: Die ursprünglich 4 Klassen sind zu 2 Klassen zusammengeschrumpft. Beispiel Bochum: Hier hat man den Rückgang (inzwischen 3 von ehemals 6 Klassen auf Bezirksebene) durch die Bildung einer neuen Klasse zwischen Bezirks- und Verbandsebene aufgefangen: der sogenannten ‚Verbandsbezirksliga‘. In diesen 6 Verbandsbezirksligen sind benachbarte Bezirke zusammengefasst. Die neugegründeten 4 NRW-Klassen ab dieser Saison (2019-2021) haben ein ähnliches Anliegen im Hinblick auf benachbarte Verbände und möglichst kurze Reisewege. Aufgrund geographischer Besonderheiten und unterschiedlicher Mitgliederzahl der Verbände erwies sich die Realisierung dieses Ziels aber als recht schwierig.
Bei dieser Gesamtentwicklung darf nicht vergessen werden, dass im Unterschied zu damals eine Fülle von sehr attraktiven Einzelturnieren/Open als Konkurrenz zu den klassischen Mannschaftskämpfen in Erscheinung getreten ist.
Nach diesem etwas längeren Exkurs nun zurück zum eigentlichen Thema dieses Berichtes, dem Aufstieg der 1. Mannschaft in die NRW-Liga am 22. 2. 1981. Nach einem einjährigen Stelldichein in der Verbandsliga 1973/74 war die erste Mannschaft 1978 wieder in die Verbandsliga aufgestiegen und überraschte als Aufsteiger in der Saison 1978/79 hinter der Schachgesellschaft Hagener SG mit der Vizemeisterschaft. Auch in der darauffolgenden Saison 1979/80 konnte ein guter 3. Platz errungen werden. Verständlich waren daher in der dritten hintereinander folgenden Verbandsligasaison die Ambitionen unserer Mannschaft, vorne „mitzumischen“. Nach 2 knappen Auftaktsiegen gegen die Aufsteiger Neheim und Caissa Lüdenscheid erwies sich in der dritten Runde der Mitfavorit SV Buschhütten (NRW-Ligist 1977 – 1979) als zu stark für uns; wir unterlagen klar mit 2,5-5,5. In der 4. Runde konnten wir den NRW-Liga-Absteiger SV Ruhrtal-Wetter (NRW-Ligist 1978 – 1980) mit 5-3 bezwingen. Nachdem wir in der 5. Runde nach hartem Kampf (bei einer 4-3 Führung ging eine remisliche Hängepartie überraschend verloren) ein 4-4 gegen Svgg. Lüdenscheid erreicht hatten, sprach niemand mehr vom Aufstieg; denn Buschhütten hatte bei einer knappen Niederlage gegen Svgg. Lüdenscheid die restlichen 4 Kämpfe hoch gewonnen (3 mal 5,5-2,5 und einmal 6-2) und führte allein die Tabelle mit 8-2 Punkten an. Deshalb warteten wir nach unserem 5-3 Sieg gegen SV Feste Neustadt (dies war der Vorgängerverein vom SV Bergneustadt, der unter anderem mit dem SV Derschlag später fusionierte) in der 6. Runde ohne größere Hoffnungen beim Mannschaftsessen auf die Ergebnisse der übrigen Mannschaften. Dieses regelmäßige Ritual mit gemeinschaftlichen Partieanalysen war nicht selten der Höhepunkt des Mannschaftskampfes (ähnlich wie bei meiner Wattenscheider Ü 50 / Ü60 Truppe, deren Mannschaftskämpfe ich noch nach wie vor gerne besuche und dabei insbesondere das ‚Gelage‘ nach dem Kampf genieße….). Zu fortgeschrittener Stunde prognostizierte ich vorwitzig einen 5-3 Sieg der mit 0-10 Punkten vorbelasteten und bereits abgestiegenen Schachfreunden aus Caissa Lüdenscheid gegen den SV Buschhütten. Diese Prognose erzeugte ungläubiges Gelächter, wich aber schnell einem freudigen Staunen, als dieses Ergebnis punktgenau per analoger Telefonverbindung der klassischen Art vom Verbandsspielleiter übermittelt wurde. Anschließend musste Rudi Schumacher unsere allmählich eskalierende „Voraufstiegsfeier“ etwas bremsen; denn schließlich waren wir nun lediglich punktgleich mit Svgg. Lüdenscheid (jeweils 9-3 Punkte), konnten aber jetzt wieder ‚aus eigener Kraft‘ den Aufstieg schaffen. Da Lüdenscheid in der letzten Runde am 22. 2. 1981 gegen Neheim verlor und wir gegen den SV Schwelm mit 5-3 siegen konnten (siehe auch den IKZ-Zeitungsbericht vom 25. 2. 1981), war die Meisterschaft perfekt! Die anschließenden Feierlichkeiten zogen sich über einen längeren Zeitraum hin und fanden nicht nur in Hemer statt, sondern auch in einigen Bochumer Studentenheimen. Unter anderem spendierte ich einem Bochumer Mitstudenten von Caissa Lüdenscheid, Ekkehard Hostert, für seine ‚Schützenhilfe‘ ein großes Bier.
Die Statistik der Saison 1980/81 hat uns dankenswerterweise Dr. Andreas Reinhardt zur Verfügung gestellt (siehe Datei). Eine Erläuterung zu den dort angegebenen Ingo-Zahlen: Die Umrechnungsformel von Ingo nach DWZ/Elo lautet 2840 – 8 x Ingo. So entspräche die Ingo-Durchschnittszahl von 107,9 von SV Feste Neustadt einer Durchschnitts-DWZ von 1977. Die 3 erfolgreichsten Spieler von Hemer waren an Brett 1 Wilfried Sirringhaus mit herausragenden 6 von 7 Punkten (Gegnerdurchschnitt Ingo 96,7, das entspricht einer Gegnerdurchschnitts-DWZ von 2066,4), ebenso Herbert Cloosters an Brett 7 mit 4,5 aus 5 und Andreas Reinhardt an Brett 3 mit starken 3,5 aus 5. Alle 3 gehörten mit mir zur studentischen ‚Bochumer Fraktion‘ der Mannschaft, die viele Jahre zusammen spielte. Auch nach der Studentenzeit spielte diese 4er Fraktion lange Zeit für die 1. Mannschaft von Hemer, obwohl die zwischenzeitlichen Wohnungen teilweise weit entfernt von Hemer lagen, so für Wilfried in Karlsruhe, Erlangen und Duisburg, für Andreas in München, Bornheim und Bonn, für Herbert in Kranenburg und Witten und für mich in Rheine.
Drücken wir der heutigen 1. Mannschaft die Daumen, in die breiten Fußstapfen der damaligen
Meistermannschaft zu treten! Es wäre nach den Erfolgen der Damen und der Jugend bereits der dritte Aufstieg der laufenden Saison für den SV Hemer.
Schachfamilien im Verein (Ein Bericht von Reiner Klüting, 02.10. 2020)
Im Schachverein Hemer waren sowohl in der Vergangenheit wie auch in der Gegenwart zahlreiche Schachfamilien aktiv. Aktuell sind im Verein 4 Familien aktiv: zunächst die allseits bekannte Familie Jagodzinsky und die jugendlichen Geschwisterpaare Fabian Dat und Felix Toan Trinh, Linda und Lukas Becker sowie Liam und Denny Schulte genannt Trux.
Beginnen möchte ich mit der Familie Jagodzinsky. Weniger bekannt dürfte sein, dass der jüngere Bruder von Andreas, Thomas Jagodzinsky eine Zeitlang im Jugendschach mit Andreas gemeinsam erfolgreich tätig gewesen ist. Carmen Voicu-Jagodzinsky hat neben zahlreichen Titeln (s. Wikipedia-Artikel zu Carmen) gerade die Deutsche Fraueneinzelmeisterschaft in Magdeburg gewonnen, wo sie ein Jahr zuvor auch den Deutschen Amateurmeistertitel (DSAM) errungen hatte. Sie hat für den Verein immer wieder neue Talente gefunden und langjährig trainiert, darunter den NRW-Jugendmeister vom letzten Jahr, Moritz Runte. Außerdem ist sie Jugendkadertrainerin und Frauenbeauftrage des Schachbundes NRW. Andreas leitet als 1. Vorsitzender seit 2001 die Geschicke des Vereins und insbesondere das regelmäßige Jugendtraining. Er war entscheidend an der Erfolgsgeschichte des Frauenschachs beteiligt. (s. hierzu die Rubrik „Mannschaften“/“Frauen“/“Geschichte des Hemeraner Frauenschachs I und II“ der Homepage, 10.9/11.9. 2019). Außerdem ist Andreas 1. Vorsitzender des Schachbezirks Iserlohn und seit mehreren Jahren Leistungssportreferent des DSB. Carmen und Andreas spielen seit vielen Jahren sehr erfolgreich an den Spitzenbrettern der 1. Seniorenmannschaft des SV Hemer. In meiner damals letzten Saison 1993/94 für den SV Hemer waren Andreas und ich bereits Mannschaftskameraden, weil Andreas hier als Jugendlicher mit 1,5 aus 2 recht erfolgreich debutierte. 1996 wechselte er zur SG Bochum 31, mit der er 1997 in Magdeburg (eine für die Familie Jagodzinsky stets „titelverdächtige“ Stadt) deutscher U20 Jugendmannschaftsmeister wurde; 2001 kehrte er zum SV Hemer zurück. Last but not least ist der 11jährige Sohn Lukas zu nennen, der nicht nur bereits einige Schülermeistertitel gewonnen hat, sondern neben seinem Einsatz in der Jugendmannschaft auch bereits sein Debut sowohl in der ersten Mannschaft in der Verbandsliga gegen den späteren Aufsteiger Bergneustadt als auch in der 2. Mannschaft in der Verbandsklasse gegen Letmathe II (Remis gegen Altmeister Wladimir Demin) feiern konnte.
Von den Geschwisterpaaren möchte ich zunächst Linda und Lukas Becker nennen, die diese Saison (die ja nun coronabedingt 2 Jahre dauern wird) beide in der 2. Seniorenmannschaft in der Bezirksliga spielen und die Spitzenbretter in der 2. Jugendmannschaft einnehmen, die gemeinsam mit der 1. Jugendmannschaft in der NRW-Jugendliga spielt. Linda, mit 14 Jahren bereits 2fache NRW-Meisterin der Jugend 2018 und 2019, hat mit 4,5 aus 5 Partien ein herausragendes Ergebnis in der 2. Frauenbundesliga geholt und war damit maßgeblich am historischen Aufstieg in die 1. Bundesliga beteiligt. Außerdem hat sie in dieser Saison bereits erfolgreich in der ersten Seniorenmannschaft gegen Halver-Schalksmühle debutiert und mit einem Remis den Mannschaftssieg abgesichert. Ihre Eltern, die sie zu diversen Turnieren begleiten, habe ich bei mehreren Schnellschachturnieren getroffen, wo Linda recht erfolgreich auch gegen stärkste Gegnerschaft agierte und viele Preise und Pokale holte. Die Eltern unterstützen uns nicht nur bei vielen Fahrten zu den Jugendauswärtsspielen, sondern auch beim Catering, beispielsweise bei der Hemeraner Stadtmeisterschaft.
Der 17jährige Fabian (Brett 3) und sein älterer Bruder Felix (Brett 6) sind Leistungsträger der 1. Jugendmannschaft in der NRW-Liga, die aktuell um den Jugendbundesligaaufstieg kämpft. Beide sind bisher ungeschlagen (Felix 5 aus 5, Fabian 4 aus 5 Partien). In der letzten Saison war Fabian sowohl mit 6 aus 7 ungeschlagener Topscorer der 1. Jugendmannschaft in der NRW-Liga als auch mit 4,5 aus 7 ungeschlagener Topscorer der 2. Seniorenmannschaft in der Verbandsklasse (Brett 3 und 4). Felix (Einsatz am Brett 6 - 8) verlor in der Verbandsklasse von 5 Partien nur eine. Inzwischen ist Fabian Stammspieler der 1. Seniorenmannschaft in der Verbandsliga.
Nun wende ich mich einigen ausgewählten Schachfamilien zu, die in der Vergangenheit eine große Rolle gespielt haben. Als erste nenne ich Familie Walter. Zahlreiche Vereinserfolge von Hans Walter über viele Jahrzehnte hinweg kann man in den Jubiläumsvereinschroniken finden (Vereinsmeisterschaft, Vereinspokal, Stadtmeisterschaft und Blitzmeisterschaft) und nachlesen. Außerdem war er südwestfälischer Verbandsmeister. Er spielte fast immer an einem Spitzenbrett in der ersten Seniorenmannschaft. Seine Spielkunst konnte ich schon in der Jugend bewundern; als Mannschaftskamerad nannten wir jüngere ihn bisweilen ‚Petrosjan‘, weil Tigran Wartanowitsch Petrosjan sein Vorbild war. Hans zeigte häufig ein faszinierendes Verteidigungsspiel, das an dieses große Vorbild erinnerte. Leider strapazierte er mit seiner notorischen Extremzeitnot (es gab ja keine elektronischen Uhren zu jener Zeit) häufig unsere Nerven, obwohl er selten durch Blättchenfall ein Spiel verlor. Hatte Hans eine angenehme Stellung erreicht (was sich manchmal meiner Beurteilungsfähigkeit entzog), murmelte er leise in zufriedenem, fast singendem Ton: „….der alte Petrosjan….“ und wir konnten seine schönen Analysen beim anschließenden gemütlichen gemeinschaftlichen Essen genießen. Seine angenehm-liebenswürdige und gesellige Art, die auch seine begleitende Frau Helga stets an den Tag legte, war auch während der zahlreichen internationalen Wochenendturnieren (incl. der legendären 10-Städte-Turniere) spürbar, wo wir immer viel Spaß hatten. Auch nach dem Tod ihres Mannes ließ Helga Walter den Kontakt zum Schachverein nicht abbrechen und besuchte als Zuschauerin gelegentlich die Hemeraner Stadtmeisterschaften. Unvergesslich positiv in Erinnerung geblieben ist allen Teilnehmern ihre Begleitung als guter Geist der Mannschaft zum 10-Städte-Turnier 2016 in Eupen. (s. Bericht unter der Rubrik „10-Städte-Turniere“ der Homepage).
Beide Söhne, Frank und Anjo Walter spielten in der Jugend einige Jahre. Frank wurde Anfang 1970 Schülerstadtmeister und sein Vater gleichzeitig Stadtmeister bei den Senioren. Diese Stadtmeisterschaft, die im September 1969 begann, war mein erstes Turnier, dessen Ankündigung ich zufällig im IKZ gefunden hatte. Daraufhin hatte ich meinen älteren Bruder Hans-Peter animiert, mit mir daran teilzunehmen. Zunächst meinte er, da würden ja ausschließlich ‚Profis‘ spielen, gegen die wir keinerlei Chancen hätten. Schließlich gab er meinem hartnäckigen Wunsch nach und wir wurden bereits wenig später Vereinsmitglieder (damals unter Jugendtrainer Herrn Barsch, der uns ‚köderte‘, unter anderem für die beiden Jugendmannschaften). In dieser Stadtmeisterschaft konnte ich gegen Frank gewinnen, verlor aber in meiner allerersten Turnierpartie gegen seinen Bruder Anjo. Mit jeweils einem Verlustpunkt mussten Frank und ich im Januar 1970 eine Stichkampfpartie spielen, die Frank gewann. Diese Partie habe ich beigelegt, um zu zeigen, wie früher Jugendschach „aussah“. Vielen Jugendlichen in unserem Verein wurde zunächst die Italienische Eröffnung beigebracht, weil diese die Anfänger recht klar in das Thema „Entwicklung“ und „Taktik“ einführt. Mit Hans-Peter spielte ich viele Jahre gemeinsam in der ersten und zweiten Seniorenmannschaft. Einige Jahre später gesellte sich im Jugendschach auch noch mein jüngerer Bruder Uwe eine Zeitlang dazu.
Familie Schumacher ist die nächste bedeutsame Familie: die beiden Brüder Rudi und Willi Schumacher und Willis Tochter Christa, die eine Zeitlang in der Jugend spielte. Rudi hat wie Hans Walter zahlreiche vereinsinterne Titel errungen. Jahrzehntelang belegte er sehr erfolgreich das erste Brett der 1. Mannschaft. Sein Bruder Willi spielte viele Jahre an Brett 3 und erwies sich als „Remiswand“, den keiner bezwingen konnte. Später zog er sich mit einigen anderen in die Jahre gekommenen Stammspielern der Ersten in die dritte Mannschaft zurück, die sehr erfolgreich spielte und wie unsere Dritte heute den Aufstieg in die Bezirksliga schaffte. Die mannschaftsinterne Aufstiegsfeier, die bei dem unvergesslichen Heinz Ahrens stattfand und wo ich als einziger „mannschaftsfremder“ Spieler aus der Ersten eingeladen worden war, habe ich in bester Erinnerung. In der Saison 1993/94 vollbrachte die 3. Mannschaft dann ein vereinshistorisch nie wieder erreichtes Kunststück: Sie wurde Meister der Bezirksliga und stieg in die Verbandsklasse auf! Sie machte dadurch den gleichzeitigen Abstieg der Zweiten aus der Verbandsklasse wett.
Zurück zu Rudi: Ohne Rudi, der sich - wie Andreas Jagodzinsky heute – jahrzehntelang intensiv um die schachliche Nachwuchsarbeit im Jugendbereich kümmerte, hätte ich an vielen Einzelturnieren nicht teilnehmen können. Jeden Karfreitag beispielsweise nahm er mich in meinen Jugendjahren zum Verbandsblitzturnier mit, wo ich Erfahrungen gegen starke Spieler sammeln konnte. Rudi pflegte einen soliden positionell angelegten Spielstil, der bei passender Gelegenheit die taktische Überraschung bereit hielt. Nach dem Aufstieg in die NRW-Liga 1981 meinte Rudi ermahnend zu mir: „ Du wirst doch jetzt in der NRW-Liga nicht mehr das Morra-Gambit spielen!?“ Neben Rudis Spielkunst war auch sein „schnittiger“, risikoreicher Fahrstil legendär: Ich erinnere mich an eine „Höllenfahrt“ sonntags nach Rheda-Wiedenbrück, bei der wegen einer samstäglichen Aufstiegsfeier für Wilfried Sirringhaus, Hermann Carnein und mich die Anfahrt qualvoller war als das anschließende Blitzen gegen die starke Gegnerschaft auf NRW-Ebene.
Kommen wir nun zu den beiden Brüdern Bernd und Michael Kistner, die beide leider viel zu früh gestorben sind. Bernd war eine Seele des Vereins. Seine Liebe zum Schachspiel und seine ausgesprochene Geselligkeit waren ansteckend und sorgten für unvergessliche Erlebnisse, die sich nicht nur auf die vielfältigen Wochenendturniere erstreckten. Er kümmerte sich aufmerksam um die Vereinshistorie und verfasste mancherlei Berichte für Jubiläumszeitschriften. Er spielte viele Jahre in der ersten und zweiten Mannschaft und war bei vielen Gegnern wegen seines aggressiv-taktischen Spielstils gefürchtet. Seine Partien gegen mich ohne ein Gambit waren undenkbar, auch wenn wir selbstironisch nach jeder Partie „gelobten“, endlich mal „positionell“ zu spielen. In unserer Studienzeit trafen wir uns auch gelegentlich im Dortmunder Kreuzviertel zum Schachspielen, wo er in der Nähe der gemütlichen Kneipe „B-Trieb“ wohnte. Sein Bruder Michael kam etwas später zum Verein und erwies sich als Riesenverstärkung für die NRW-Liga Saison 1981/82, in der er nach Herbert Cloosters (7 Punkte aus 9 Partien) mit 6,5 aus 9 zum zweitbesten Spieler der Mannschaft avancierte.
Als letzte Familie in meinem Bericht nenne ich die Familie Zielert, Günter Zielert und sein Sohn Detlef Zielert. Günter war jahrelang erfolgreicher Stammspieler der ersten Mannschaft und eine gefühlte Ewigkeit Vorstandsmitglied als Vereinskassierer. Er zeichnete sich wie sein Sohn Detlef durch eine bescheiden-ruhige, umgängliche Art aus. Detlef war viele Jahre Spieler der ersten und zweiten Mannschaft, engagierte sich sehr für die Jugendarbeit incl. des Frauenschachs. Zudem war er Spielleiter im Verein und Turnierleiter der Hemeraner Stadtmeisterschaften.
Bilder stammen vom IKZ. Draufklicken und vergrößern, dann sind die Artikel gut zu lesen!
Vor 50 Jahren: Südwestfalenmeisterschaft in Hemer
(Ein Bericht von Reiner Klüting, 25. 9. 2020)
Normalerweise hätte in diesem Monat die neue Saison begonnen; aber erst im nächsten Jahr werden die restlichen Mannschaftskämpfe durchgeführt werden. Immerhin startet ab dem kommenden Sonntag (27. 9. 2020) die Jugend ihre restlichen Kämpfe, die Anfang November beendet sein werden. Es beginnt die erste Jugendmannschaft mit einem Nachholheimspiel in der NRW-Liga gegen Blauer Springer Paderborn, in dem sie ihre Aufstiegschancen in die Jugendbundesliga bewahren will.
Etwas überbrücken möchte ich die noch lange Zeitspanne bis zur Fortsetzung der Mannschaftssaison der Senioren 2019/2020 mit einem kleinem Rückblick auf die Südwestfalenmeisterschaft, die vor gut 50 Jahren 1970 im Hotel Lindenhof in Hemer stattfand.
Neben dem damals 20jährigen Andreas Reinhardt, der den Ausrichterfreiplatz zugesprochen bekam, hatte Hans Walter die Qualifikation durch den Bezirksmeistertitel erreicht. Auch der heute 87jährige Erich Weyrauch, gegen den Timo Leonard im letzten Mannschaftskampf dieses Jahres (im März) nach zähem Kampf gewonnen hatte und damit maßgeblich das Mannschaftsremis gesichert hatte, nahm an diesem Turnier teil. Dass Weyrauch in diesem hohen Alter noch immer eine scharfe Klinge mit seinem Gegner kreuzen kann, zeigt seine aktuelle Punkteausbeute in der Verbandsliga: 4 Punkte aus 7 Partien!
Für mich war diese Verbandsmeisterschaft das erste größere Turnier, bei dem ich ausgiebig kiebitzen konnte. Mir gefiel insbesondere der aggressive Spielstil von Andreas, der seine Partien auf Biegen und Brechen anlegte und kein einziges Mal Remis spielte. Andreas, der seit April 1964 Mitglied im Schachverein Hemer ist, verlor trotz aufopferungsvollen Kampfes die ersten 3 Partien. Danach hatte er sich akklimatisiert und trumpfte mit 3 Gewinnpartien hintereinander auf. Beim Stande von 3:3 hatte er gegen Weyrauch in der 7. Runde bereits in der Eröffnung einen gewinnverheißenden Qualitätsvorteil, verlor aber noch und konnte seine Aufholserie nicht mehr fortsetzen. Nichtsdestotrotz war sein Abschneiden als ‚Benjamin‘ des Turniers ein großer Achtungserfolg.
Claus Rupp aus Siegen gewann überlegen und ungeschlagen das Turnier.
Die Endtabelle:
Rupp 7,5 – 1,5
Soennecken 6 – 3
Bachmann 5,5 – 3,5
Ogrzall 5 – 4
Weyrauch 5 – 4
Walter 5 – 4
Bukowski 4,5 – 4,5
Kill 3,5 – 5,5
Reinhardt 3 – 6
Röttger 0 – 9
Die Plätze 4-6 wurden nach der Sonneborn-Berger Wertung vergeben.
„Welcher Weg führt nach Rom?“ – Erinnerungen an eine legendäre Schachpartie
(Ein Bericht von Reiner Klüting, 21. 4. 2020)
Unser erster historischer Streifzug führt uns in das Jahr 1977, dem Geburtsjahr unseres jetzigen Vorsitzenden Andreas Jagodzinsky. Am 20. 11. 1977 wurde im damaligen Vereinslokal, Gaststätte (und Hotel) Lindenhof die wohl längste (zumindest zeitlich längste) Partie der Vereinsgeschichte zwischen Graf (SV Gevelsberg) und Andreas Reinhardt am 5. Brett in der Verbandsklasse gespielt. Bei diesem Bericht greife ich auf viele detailreiche Erinnerungen von Andreas zurück.
Die Aufstellung der ersten Mannschaft war damals folgende:
Hans Walter
Wilfried Sirringhaus
Herbert Cloosters
Rudi Schumacher
Andreas Reinhardt
Reiner Klüting
Curt Kleinmichel
Alfred Wolschendorff (damaliger Vorsitzender des Vereins)
Nach einem Start mit 2 Siegen gegen Arnsberg (7-1) und Schwerte (wie zu allen Zeiten hart umkämpft, 4,5-3,5), ging es darum, den Spitzenplatz zu verteidigen. Üblicherweise wurde in der dritten Runde und am letzten Spieltag bis zur Entscheidung gespielt, d. h. „Hängepartien“ waren nicht gestattet.
Für unsere jüngeren Leser/Innen sei ein kurzer Exkurs erlaubt. Bis Mitte der 90er Jahre (s. hierzu auch einen Wikipedia-Artikel zum Begriff ‚Hängepartie‘) wurde nach 5 Stunden Spielzeit (Modus: 50 Züge mit 2,5 Stunden Bedenkzeit, danach 20 Züge mit je einer Stunde Bedenkzeit usw.) die Partie unterbrochen. Der Spieler, der am Zug war, notierte seinen nächsten Zug, den Abgabezug, geheim und verbindlich auf seinem Partiezettel, der zusammen mit dem Partieformular des Gegners in einen Umschlag gesteckt wurde. Auf dem Umschlag wurden verbrauchte Bedenkzeiten, evtl. Remisangebote, Stellung und Zeitpunkt/Ort der Wiederaufnahme der Partie notiert. Direkt danach fand eine sogenannte „Abschätzung“ der Partie unter Beteiligung beider Mannschaftsführer und mitanalysierender Spieler statt. Erwies sich das Ergebnis dieser Abschätzung als eindeutig (mit Zustimmung beider Mannschaftsführer), trug man es gleich in die Wettkampfberichtskarte ein. Einigte man sich nicht, wurde der Verbandsspielleiter informiert, der dann über die Abschätzung entschied und den beteiligten Vereinen dies mitteilte. Wenn ein Verein nicht einverstanden war, protestierte er gegen das Abschätzungsergebnis und mußte dann zur Fortsetzung der Hängepartie eine oder zwei Wochen später zum Gegner reisen.
Zurück zum Mannschaftskampf: Wir führten 3,5 – 1,5, als Andreas Reinhardt in vorteilhafter Stellung seine Dame einbüßte. Dies veranlasste Curt Kleinmichel, der einen Bauern weniger hatte, zu der Bemerkung: „Jetzt bin ich auf einmal am wenigstens kaputt.“ Aber auch Curt konnte nicht verhindern, dass es kurze Zeit später 3,5 – 3,5 stand, während Andreas sich weiterhin zäh verteidigte. Sein Gegner unterließ manchen Mattangriff; es entstand eine Stellung mit Dame und Turm gegen 2 Türme. Im 58. Zug belohnte sich Andreas nicht für seinen aufopferungsvollen Kampf und übersah eine zwingende Remisvariante. Wenig später entstand dann das Endspiel Dame gegen Turm, dem die klassische Endspiellehre von Euwe eine ausführliche Analyse widmet.
Nachdem uns der Wirt Heinz Drees mit Hinweis auf die Öffnungszeiten bereits mehrfach ermahnt hatte, zu einem Ende zu kommen, wurde die Partie nach 10,5 Stunden um 0.30 Uhr unterbrochen. Da ihm das weitere Prozedere – nämlich die nun verpflichtend beginnende Abschätzung der Partie – nicht geläufig war, wurde er immer ungeduldiger und rief uns zu: „Ihr könnt ja auf dem Bürgersteig weiter Schach spielen!“ Seit diesem Moment etablierte sich in der studentischen Fraktion der Mannschaft für längere Zeit das geflügelte Wort „Bürgersteigschach“, das eine etwas minderwertige Spielanlage bezeichnete.
Die abschätzende Analyse nach dem Ritual der Notation des Abgabezuges durch Andreas ergab dann um ca. 1.00 Uhr eine Gewinnstellung für Graf, die vom Verbandsspielleiter als Sieg gewertet wurde. Natürlich legten wir gegen die Entscheidung Protest ein, da sich Andreas berechtigte Hoffnungen machte, die 17 noch fehlenden Züge für die 50-Züge-Regel noch zu überstehen.
In Gevelsberg kam es eine Woche später zum Showdown. Je mehr nach dem letzten Figurentausch (Schlagen eines Bauerns im 75. Zug) sich die Partie dem 125. Zug näherte, umso nervöser wurde Graf. Zwischendurch murmelte er – ganz im Sinne der Euwe-Analyse – „Welcher Weg führt denn nach Rom?“ Wir wissen nicht genau, ob er dieses Standardwerk von Euwe kannte oder diese Bemerkung nur eine kurios-zufällige Übereinstimmung mit dem Hinweis von Euwe zu diesem speziellen Endspiel war:
„Der Leser wird vielleicht Zweifel hegen, ob er überhaupt imstande sein wird, ein Dame-Turmendspiel zum Erfolg zu führen. Er möge aber bedenken: einmal führen viele Wege nach Rom, beinahe alle…“ (Sammelband Max Euwe, Das Endspiel, Hamburg 1958, Bd. 4, Figuren gegen Figuren I, S. 44)
Auf jeden Fall hatte Andreas bei seiner Vorbereitung auf die Fortsetzung der Hängepartie auch diese Analyse von Euwe studiert.
Als Andreas den 124. Zug ausführte, sprang Graf wie von einer Tarantel gestochen auf und rief: „Du hast vergessen, ‚Remis‘ zu beanspruchen! Jetzt beginnt die 50-Züge Regel von neuem!“ Der gegnerische Mannschaftsleiter und unser Mannschaftsführer Wilfried Sirringhaus verdrehten die Augen und schüttelten den Kopf. Als besonderen Gag führte Andreas seinen 124. Zug aus und reklamierte nach Grafs 125. Zug eine dreimalige Stellungswiederholung.
Somit endete nach insgesamt 11,5 Stunden Spielzeit diese legendäre Partie, die uns ein 4-4 rettete und am Ende der Saison souverän mit 13 – 1 Punkten in die Verbandsliga aufstiegen ließ.
Übrigens: Die vermutlich zeitlich zweitlängste Partie (9 Stunden, 87 Züge) wurde 1984 - auch in einem Mannschaftskampf – von unserer Schachlegende Hans Walter bestritten.
Hier geht es, genau wie an der rot markierten Stelle zur Partie...
„Die Geschichte ist eine Mühle, worin die Lebendigen zu arbeiten glauben, die Geister aber die Arbeit verrichten. Wie sich die übermütigen Zwerge, die im Sonnenschein herumhüpfen, auch anstrengen mögen, die toten Riesen, die aus der Ewigkeit in unermeßlichem Zuge hervorschreiten, machen sie zu unnützen Knechten und schauen mitleidig auf ihr Gezappel herab.“ (Friedrich Hebbel)
Vereinsgeschichte
(Einige Bemerkungen zur neuen Rubrik von Reiner Klüting, 14. 4. 2020)
Der SV Hemer feiert in 2 Jahren sein 90jähriges Jubiläum und hat in seiner Vereinsgeschichte Höhen und Tiefen erlebt. Gegenwärtig erleben wir sicherlich einen herausragenden Höhepunkt mit dem Aufstieg der Frauenmannschaft in die Bundesliga. Der größte und gefährlichste Gegner von möglichen weiteren Aufstiegen in dieser Saison wäre das Coronavirus, das einen vorzeitigen Saisonabbruch ohne Auf- und Abstiege verursachen könnte. Kleiner Trost: Wenigstens unsere 2. Jugend- und 3. Seniorenmannschaft könnten hiervon profitieren.
Diese Rubrik möchte an interessante Ereignisse und Erlebnisse sowohl aus der älteren als auch der jüngeren Vereinsgeschichte erinnern, wobei auch Raum für kleinere Anekdoten (incl. Schachsprüche und –Zitate) geschaffen werden soll. Jedes Vereinsmitglied und natürlich auch Exmitglieder und Freunde des Vereins könnten hier kurzweilige Beiträge veröffentlichen. Sicherlich werden auch manche Beiträge an dieser Stelle für Überraschungen sorgen, die ich natürlich zu diesem Zeitpunkt noch nicht verraten werde…
Ein besonderer Dank geht vorab an Andreas Reinhardt, der sehr viele Zeitungsartikel gewissenhaft gesammelt hat und dem Verein zur Verfügung gestellt hat. So wird mancher Bericht aus den Informationen dieser Zeitungsartikel generiert werden können. Zudem kam durch das Lesen von einigen Artikeln manche vergessene Erinnerung zurück ins Gedächtnis.
Das Schachspielen im Internet (incl. der gerade beendeten spannenden Vereinsmeisterschaft) hilft uns, die größere Zwangspause des Spielbetriebs zu überstehen, so dass folgendes, zugegebenermaßen pathetisches Zitat (1924) von Massimo Bontempelli, gefunden in der „Schachphilosophie“ von Josef Seifert (Darmstadt 1989, S. VII) zutreffen könnte:
„…wenn die Welt ins Chaos zurücksinken…wird, wird das Schachspiel bleiben,…Denn dieses Spiel hat an der Ewigkeit der Ideen teil.“